Damals schrieb die Neue Freie Presse

Oesterreich ist gerettet!

Wien, 2. Juni 1870. Stellt Lichter ans Fenster, trinkt, singt, jubilirt, tanzt, denn nun ist Oesterreich gerettet! Seine Constituierung wird nun „endlich einmal auf haltbarer Grundlage vollendet“.

Groß war die Noth, daß unter den immer neuen Experimenten das Reich zu Grunde gehen könnte; ernst war die Gefahr, daß der Föderalismus die Reifen zersprengen möchte, welche die Länder und Völker der Monarchie zu Einem großen Gemeinwesen vereinen. Aber wenn die Noth am größten, so ist die Hilfe am nächsten. Achtzehn junge Männer haben sich zusammengefunden, und sie haben in einer gestern veröffentlichten Proclamation den Wählern Niederösterreichs, der Bevölkerung ganz Oesterreich-Ungarns, dem staunenden Europa, der ganzen Menschheit und Allen, was da im Weltall Ohren hat zu hören und Augen zu sehen, verkündet, daß und wie sie die Constituirung Oesterreichs nun endlich einmal auf haltbarer Grundlage vollenden werden.

„Unübersehbar“ freilich, das gestehen sie ein, sind die Schwierigkeiten dieser Constituierung; ein gewöhnliches Menschenkind könnte das schwere Werk nicht fertig bringen. Doch die achtzehn jungen Männer können es, und damit Niemand etwa ihren Beruf zur Rettung Oesterreichs bezweifle, stellen sie sich in fast jedem Absatze ihrer Proclamation ein Tugendzeugniß aus, wie es der Biedermann Cagliostro sich nicht besser fertigen konnte. Sie versichern, daß sie „offen“, „rückhaltlos“, „ehrliche Männer“, „ehrliche Anhänger der Freiheit“, „gerecht“, „freiheitsliebend“, „rechtschaffen“, „uneigennützig“ sind.

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