Polizeigewalt

Zweifel an Ergebnis des Gerichtsmediziners: Wie starb George Floyd?

Gedenken an George Floyd.
Gedenken an George Floyd.(c) Imago
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Im Haftbefehl gegen den verdächtigen Polizeibeamten heißt es, nach vorläufigen Erkenntnissen sei das Opfer George Floyd nicht erstickt. Die Anwälte der Familie zweifeln am Ergebnis des Gerichtsmediziners.

Die Anwälte des nach einem brutalen Polizeieinsatz in der US-Stadt Minneapolis gestorbenen Afroamerikaners George Floyd melden Zweifel an den Ergebnissen einer Obduktion an. Zugleich kündigten sie nach einem Bericht des Fernsehsenders ABC am Freitag (Ortszeit) an, bei einem bekannten Gerichtsmediziner eine eigene Untersuchung in Auftrag zu geben.

Floyd war am Montag bei einem umstrittenen Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Die vier an dem Einsatz beteiligten Polizisten wurden entlassen. Einer der vier Männer wurde am Freitag des Mordes angeklagt. Bei ihm handelt es sich um den weißen Polizisten, der sein Knie minutenlang an den Hals Floyds gedrückt hatte. Floyd hatte mehrfach um Hilfe gefleht, bevor er das Bewusstsein verlor, wie ein Video festgehalten hatte. Der 46-jährige Schwarze wurde bei seiner Ankunft im Krankenhaus für tot erklärt.

Nicht erstickt?

Im Haftbefehl gegen den Polizeibeamten heißt es, nach vorläufigen Erkenntnissen sei Floyd nicht erstickt. Die beiden Anwälte von Floyds Familie, Benjamin Crump und S. Lee Merritt, sagten zum Obduktionsergebnis, man habe bereits in anderen Fällen gesehen, dass Menschen, die mit den Behörden zusammenarbeiteten, Dinge präsentierten, die eine "Illusion" seien. "All diese Dinge wie Asthma oder Herzprobleme spielen keine Rolle, solange sie (die Opfer) leben, atmen, gehen, reden. Alles ist in Ordnung - bis die Polizei sie anspricht."

Einer der Polizisten hatte bei dem Einsatz am Montag dem Haftbefehl zufolge sein Knie insgesamt acht Minuten und 46 Sekunden auf den Nacken Floyds gedrückt. Im Haftbefehl heißt es, der Gerichtsmediziner gehe nicht von Ersticken aus. Der 46-Jährige habe an Gesundheitsproblemen gelitten, die gemeinsam mit der Festsetzung und möglichen Rauschmitteln im Blut vermutlich zum Tod geführt hätten. In den letzten zwei Minuten und 53 Sekunden habe Floyd keine Lebenszeichen mehr gezeigt.

Dem weißen Ex-Polizisten wird Mord und Totschlag vorgeworfen. Ihm drohen bis zu 35 Jahre Haft. In Minneapolis und anderen US-Städten hatten am Freitag erneut Tausende Menschen gegen Polizeigewalt und für Gerechtigkeit im Fall Floyd demonstriert. Dabei kam es erneut zu Gewalt.

Prominente schließen sich Protesten an

Indes dauern die Proteste in der US-Großstadt Minneapolis trotz Ausgangssperre an. Reporter des Senders CNN berichteten in der Nacht zu Samstag, weder Soldaten der Nationalgarde noch Polizisten seien zu sehen. An den Protesten beteiligten sich demnach Schwarze ebenso wie Weiße.

Oscar-Preisträger Jamie Foxx ("Ray") nahm am Freitag in Minneapolis an einer Kundgebung zum Protest gegen Polizeigewalt teil. Er sei nicht als Promi, sondern als Bruder gekommen, sagte der Schauspieler vor der Menschenmenge. "Wir wollen euch wissen lassen, ihr habt Unterstützung.“ Sänger John Legend verlinkte auf Twitter Worte des schwarzen Bürgerrechtlers Martin Luther King, dass nur mit sozialer Gerechtigkeit und Fortschritt Aufstände zu vermeiden seien. "Hamilton"-Star Lin-Manuel Miranda rief zu Spenden für Organisationen auf, die festgenommenen Demonstranten mit Geld und Anwälten helfen.

Sängerin Taylor Swift wandte sich per Kurznachrichtendienst Twitter direkt an US-Präsident Donald Trump, der den Demonstranten bei Plünderungen mit einem gewaltbereiten Militäreinsatz drohte. "Nachdem du während deiner gesamten Präsidentschaft die Feuer der weißen Vorherrschaft und des Rassismus angefacht hast, hast du jetzt die Nerven dazu, moralische Überlegenheit vorzutäuschen und dann mit Gewalt zu drohen?", schrieb Swift. "Wir werden dich im November aus dem Amt wählen."

Proteste weiten sich auf andere Städte aus

Auch in anderen US-Städten kam es in der vierten Nacht in Folge zu Protesten, die vereinzelt in Gewalt ausarteten. In Atlanta griffen Demonstranten das Hauptquartier des Senders CNN an. Der Sender zeigte Live-Bilder aus der eigenen Zentrale, auf denen zu sehen war, wie Demonstranten von außerhalb Objekte auf Polizisten im Eingangsbereich des Senders warfen. Auch aus New York, Los Angeles, Dallas, Louisville und anderen Orten wurden Proteste gemeldet. Vor dem Weißen Haus in Washington versammelten sich ebenfalls Demonstranten. Einige von ihnen stießen Barrikaden um.

US-Präsident Donald Trump zeigte sich am Freitag zuversichtlich, dass die Nationalgarde weitere Ausschreitungen in Minneapolis verhindern werde. Trump sagte im Weißen Haus, er habe mit Angehörigen Floyds gesprochen. "Großartige Leute." Trump forderte zugleich ein sofortiges Ende der Ausschreitungen. Man könne nicht erlauben, dass die Lage weiter in "Anarchie und Chaos" abgleite, sagte der Präsident. Er sprach von einer "furchtbaren, furchtbaren Situation".

Trump drohte auf Twitter - relativierte dann Aussage

Trump hatte zuvor für eine Kontroverse gesorgt, als er auf Twitter mitteilte: "Habe gerade mit Gouverneur Tim Walz gesprochen und ihm gesagt, dass das Militär ganz an seiner Seite steht. Wenn es Schwierigkeiten gibt, werden wir die Kontrolle übernehmen, aber wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen." Twitter versah den Tweet mit einem Warnhinweis, weil der Beitrag gegen das Verbot von Gewaltverherrlichung bei dem Dienst verstoße.

Mit seinem Satz zu möglichen Schüssen auf Plünderer zitierte Trump einen Satz aus dem Jahr 1967, mit dem der damalige Polizeichef von Miami ein hartes Vorgehen gegen die schwarze Bevölkerung angekündigt hatte. Trump relativierte seine Aussage am Freitag in einem weiteren Tweet. Er teilte mit, er habe nur gemeint, dass Plünderungen zu Waffengewalt führen könnten, was ein Fakt sei. Später sagte er, er habe das Ursprungszitat aus Miami gar nicht gekannt.

(APA/DPA)

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