Gastbeitrag

Causa Oligarchennichte: Passkopie gilt nicht als gefälschte Urkunde

Wer war die - hier nicht sichtbare - Oligarchennichte?
Wer war die - hier nicht sichtbare - Oligarchennichte?APA/SPIEGEL/SÜDDEUTSCHE ZEITUNG/HARALD SCHNEIDER
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Höchstwahrscheinlich steht die nun mit Fahndungsfotos gesuchte „Alyona Makarow“ nur im Verdacht, eine erkennbare (verfälschte) Kopie einer geschützten Urkunde verwendet zu haben. Das ist aber nicht strafbar.

Staatsanwaltschaft und Soko Ibiza fahnden im Zusammenhang mit der Entstehung des Ibiza-Videos nach der falschen Oligarchennichte, die Gudenus die Kopie eines gefälschten russischen Reispasses vorgelegt haben soll. Um die Erfolgsaussichten zu steigern, wurden vor kurzem auch Fotos der Frau veröffentlicht, die in beinahe allen Medien abgedruckt wurden. Auf dem allseits bekannten Ausschnitt des Ibiza-Videos war das Gesicht dieses Lockvogels verpixelt worden.

Massiver Eingriff in die Privatsphäre

Die Personenfahndung durch öffentliche Bekanntmachung greift beträchtlich in die Privatsphäre der betroffenen Person ein und ist nach § 169 Strafpprozessordnung (StPO) nur zulässig, wenn die Person im dringenden Verdacht einer Straftat steht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, und überdies der angestrebte Vorteil (also die Aufenthaltsermittlung der Person) den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die „Intimsphäre“ deutlich überwiegt.

Welche strafbaren Handlungen hat Frau „Alyona Makarow“ möglicherweise begangen?

Zum Einen besteht der Verdacht des Missbrauchs von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten nach § 120 Strafgesetzbuch (StGB): Es ist zwar nicht strafbar, Äußerungen anderer aufzunehmen, die für einen selbst bestimmt sind (also zB bei einem Telefonat oder einem Gespräch mit einer anderen Person ein Tonband mitlaufen zu lassen), doch die Weitergabe einer solchen Tonaufnahme an Dritte, für die die Äußerung nicht bestimmt war, fällt unter § 120 Abs 2 StGB. Ob ein besonders öffentliches Interesse diese Vorgangsweise rechtfertigen kann, ist in Österreich noch nicht ausjudiziert.

Weitergabe von Tonaufnahmen: Maximal ein Jahr Haft

Ein diesbezüglicher dringender Tatverdacht kann aber keine rechtliche Grundlage für die Fahndung durch öffentliche Bekanntmachung sein, weil § 120 Abs 2 StGB nur mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bedroht ist.

Diese eingriffsintensive Fahndungsmaßnahme wird offensichtlich auf den dringenden Verdacht des Gebrauchs einer gefälschten besonders geschützten Urkunde nach § 223 Abs 2, § 224 StGB wegen der Vorlage des gefälschten russischen Reisepasses gestützt. Fest steht, dass Gudenus eine Kopie eines Reisepasses mit dem Bild der angeblichen Oligarchennichte und dem falschen Namen Alyona Makarow vorgelegt wurde.

Kein Anschein eines Originals

Nach in Österreich herrschender Ansicht sind allerdings Kopien, die als solche erkennbar sind und nicht den Anschein eines Originals erwecken, keine Urkunden: Wenn also zunächst eine Kopie einer Originalurkunde (des Originalpasses) hergestellt oder die Originalurkunde eingescannt wird und dann die Kopie oder der Scan verändert wird, zB indem der Name des Passinhabers geändert und das Foto ersetzt wird, dann liegt nach der Rechtsprechung des OGH (11 Os 59/14g ) und herrschender Ansicht keine strafbare Urkundenfälschung vor.

Daher ist auch die Verwendung einer Kopie eines derartigen Falsifikats durch Vorlage an einen anderen kein strafbarer Gebrauch einer verfälschten Urkunde gem § 223 Abs 2, § 224 StGB. Begründet wird das damit, dass eine Kopie nur eine Reproduktion der Urkunde ist, die keine ausreichende Gewähr für die Echtheit bietet. Strafrechtliche Relevanz kann eine derartige Kopie jedoch dann erlangen, wenn sie als Beweismittel in einem Verfahren vorgelegt oder bei einem Betrug verwendet wird.

Inkonsequenz in der Rechtsprechung

Eine strafbare Urkundenfälschung liegt (nur) dann vor, wenn die Originalurkunde (der Pass) selbst verändert (verfälscht) wird. Wird anschließend diese verfälschte Urkunde kopiert und in rechtserheblicher Weise verwendet (vorgelegt), dann wird nach Ansicht des OGH dadurch eine (strafbare) „Sonderform“ der Benützung der gefälschten Originalurkunde gem § 223 Abs 2 StGB verwirklicht (OGH 11 Os 134/16i uam). Diese Ansicht erscheint allerdings inkonsequent, weil auch in diesem Fall nur eine (erkennbare) Kopie und gerade nicht die Originalurkunde verwendet wird. Vertritt man die Ansicht, dass eine Kopie keine Urkunde ist, dann kann folgerichtig die Verwendung dieser Kopie auch kein Fall des § 223 Abs 2 StGB sein.

Vermutlich wurde eine Bilddatei verändert

Wie die in der Causa Ibiza vorgelegte Passkopie entstanden ist, kann nur vermutet werden. Naheliegender ist wohl, dass ein (russischer) Pass zuerst eingescannt, anschließend die Bilddatei des Scans am PC verändert wurde (durch Einfügen des Bilds der angeblichen Oligarchennichte) und dann die veränderte Bilddatei auf einem Blatt Papier ausgedruckt und Herrn Gudenus vorgelegt wurde: eine Vorgangsweise, die nach der Rechtsprechung des OGH nicht strafbar ist.

Freilich könnte (mit geringerer Wahrscheinlichkeit) auch ein Originalpass verfälscht und anschließend kopiert worden sein: Dann bestünde der Verdacht einer strafbaren Handlung nach § 224 StGB, die mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. Sofern diesbezüglich sogar ein dringender Tatverdacht besteht, könnte die Bekanntmachung des Fotos darauf gestützt werden.

Versuchte Erpressung? Kein Hinweis auf Beteiligung

Ebenfalls im Raum steht der Vorwurf der (versuchten) Erpressung: Die Hintermänner (Produzenten) des Videos sollen Strache ja angeblich das Video zu einem hohen sechsstelligen Euro-Betrag zum Kauf angeboten haben, andernfalls das Video Dritten überlassen würde. Die angekündigte Überlassung des Videos an andere und die damit verbundene (und auch eingetretene) Gefahr der Veröffentlichung wäre zwanglos als gefährliche Drohung mit einer Verletzung der Ehre anzusehen.

Denn die Veröffentlichung des Videos war zweifellos geeignet, das Ansehen und die Achtung Straches in der öffentlichen Meinung zu mindern. Die Bezahlung des geforderten hohen Kaufpreises hätte Strache in seinem Vermögen geschädigt, und auch der geforderte Vorsatz der Videoproduzenten, sich durch die Einnahme unrechtmäßig zu bereichern, stünde außer Frage. Falls das Video zum Kauf angeboten wurde, bestünde somit der Verdacht einer versuchten Erpressung (§§ 15, 144 StGB), die mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und damit jedenfalls Anlass für eine Fahndung durch öffentliche Bekanntmachung geben könnte.

Allerdings scheint es derzeit keine Hinweise zu geben, dass die falsche Oligarchennichte an diesem möglichen Erpressungsversuch beteiligt war; zumindest an einem dringenden Tatverdacht in dieser Hinsicht dürfte es jedenfalls mangeln. Damit bleibt es beim Verdacht des Gebrauchs einer gefälschten besonders geschützten Urkunde. Ob es sich angesichts der dargelegten aktuellen Rechtsprechung des OGH um einen dringenden Tatverdacht handelt, sei dahingestellt.

Zum Autor

Univ.-Prof. Klaus Schwaighofer ist Leiter des Instituts für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie der Universität Innsbruck.

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