Aids-Konferenz: "Versprechen halten! Wir wollen leben!"

AidsKonferenz Versprechen halten wollen
AidsKonferenz Versprechen halten wollen(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Wissenschafter, Aids-Betroffene, Aktivisten, Demonstranten und federführende Anti-Aids-Bekämpfer sind sich einig: Weltweit sind der Zugang zu Therapien und die Beachtung der Menschenrechte notwendig.

Ohne Achtung der Menschenrechte kein Sieg gegen die Aids-Pandemie mit derzeit 33,4 Millionen HIV-Infizierten: Im Zeichen eines härter gewordenen Kampfes um Geld und den Willen der Politiker, sich gegen die noch immer verheerende Seuche zu stemmen, stand am Sonntag die Eröffnung der 18. Internationalen Aids Konferenz (AIDS 2010; bis 23. Juli) im Wiener Messezentrum. 25.000 Teilnehmer werden erwartet. Das Motto "Rechte hier und jetzt" stellt die Bedeutung der Menschenrechte in den Mittelpunkt des Feldzugs gegen HIV/Aids weltweit. 

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon formulierte in einer Video-Botschaft das Ziel: "Keine neuen HIV-Infektionen! Keine Diskriminierung mehr! Aber Gesundheit und Entwicklung für alle!"

In Zahlen

  • 33,4 Millionen Menschen waren 2008 weltweit HIV positiv.
  • 2,7 Millionen Neuinfektionen gab es weltweit 2008.
  • 2 Millionen Todesopfer gab es 2008
  • 7400 Menschen infizieren sich täglich neu.
  • 5000 Menschen sterben täglich an Aids.

Laut wurde es kurz vor der offiziellen Eröffnung. "Keep your promises, we want to live" skandierten mehr als hundert mit Transparenten, Hupen, Sirenen und Megafonen ausgerüstete Aids-Aktivisten bei einem Demonstrationszug vom NGO-Forum ("Global Village") in Richtung der Veranstaltungshallen im Messezentrum.

Die Kehrseite der Forderung war auf Plakaten zu lesen: "Broken promises kill - No retreat - Fund Aids". Damit wurde auf die im Herbst stattfindende Finanzierungsrunde für den Global Fund zur Bekämpfung von Aids, Malaria und TB Bezug genommen. Hier befürchten Aids-Aktivisten eine Finanzierungsloch von 20 Mrd. US-Dollar in den kommenden drei Jahren. In die Demonstrierenden mengten sich offenbar Bannerträger von Hilfsorganisationen, zum Beispiel von "Ärzte ohne Grenzen".

Flammende Appelle für mehr Geld und Menschenrechte

Mit flammenden Appellen an Politik und Staatengemeinschaft, weltweit den Zugang zur Behandlung von HIV/Aids herzustellen und die Menschenrechte zu wahren, wandten sich am Sonntag bei der Eröffnungskonferenz Wissenschafter, Betroffene und Aids-Aktivisten sowie Vertreter von internationalen Organisationen an die Weltöffentlichkeit. Mit dem Motto "Rechte hier und jetzt" wird auf den Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Gesundheit - speziell in Sachen Aids - Bezug genommen.

Julio Montaner, Präsident der Internationalen Aids Gesellschaft (IAS): "Wir hatten die Ziellinie, im Jahr 2010 den generellen Zugang zur Aids-Therapie zu erzielen. Das haben die G8-Staaten verkündet." Erreicht wird das nicht. Der Aids-Spezialist: "Aber die G8-Länder haben uns nicht erklärt, wie es jetzt weiter gehen soll. Zehn Millionen Menschen warten auf eine Therapie. Geschafft wurde, dass wir fünf Millionen HIV-Positive behandeln. Dabei hat sich gezeigt, dass man mit der Therapie bei einem Ehepartner die Übertragung auf den anderen um 90 Prozent reduzieren können. Und in der Verhinderung der Übertragung von HIV von Mutter auf Kind können wir zu fast 100 Prozent erfolgreich sein. Aus meiner Sicht haben wir mangelnde politische Führung in diesen Fragen. Das müssen wir beseitigen."

Die Präsidentin der Österreichischen Aids-Gesellschaft, Brigitte Schmied, betonte die kritische Situation in Osteuropa und Zentralasien, was HIV angeht: "Nur 23 Prozent der Menschen, die dort eine Behandlung benötigen, erhalten sie auch. Dort gibt es die am schnellsten wachsende Aids-Epidemie. In manchen Staaten sind es wieder die Ärzte, welche die Entscheidung zu treffen haben, wer leben und wer sterben wird." In Osteuropa wäre es oft die intravenöse Drogenabhängigkeit mit Stigmatisierung, Kriminalisierung und mangelnden Betreuungsprogrammen (Spritzentausch, Substitutionstherapie), was die Situation so schwierig mache. Schmied: "Patienten muss man behandeln, nicht verfolgen."

Dramatische Zustände in Osteuropa


Vladimir Zhovtyak, Präsident der osteuropäischen und zentralasiatischen Union der Menschen mit HIV/Aids, berichtete von erschütternden Zuständen in der Region und seiner Heimat, der Ukraine: "Man verletzt das Recht auf Leben. Jeder zweite von uns stirbt an Tuberkulose. Dreimal mehr Menschen würden eine Therapie benötigen als sie diese bekommen. In Usbekistan hat man die Zentren für die Substitutionstherapie von Drogenabhängigen geschlossen. Wir hoffen, dass unsere Regierung endlich ihrer Verantwortung kommen. Wir, die wir mit HIV leben, werden mit allen unseren Energien, wenn notwendig mit unserem Leben, dafür einstehen, dass wir diese Epidemie beenden."

Ähnlich ist offenbar die Situation in Russland. Sasha Volgina, selbst HIV-positiv und Chefin des russischen Verbandes gegen Armut und für Entwicklung: "Solange Russland vorgibt, ein 'Geberland' zu sein, wird sich nichts ändern. Es ist eine Lüge, dass wir keine Hilfe benötigen. Solange Russland vortäuscht, dass es hier keine große Drogen-Epidemie gibt, wird sich nichts ändern. Der erste Schritt, um solche Probleme zu lösen liegt darin, sie überhaupt erst einmal zu erkennen."

Ein gemischtes Bild zeichnete der französische Epidemiologe Yves Souteyrand: "Wir hatten im Jahr 2004 noch 4,2 Mio. Todesopfer durch Aids. Im Jahr 2008 waren es zwei Millionen. Das verdanken wir der Therapie. Aber es gibt noch immer pro Jahr 2,7 Mio. Neuinfektionen.

Kritik an Österreich kam von Paula Akugizibwe (Ruanda), Koordinatorin der Aids and Rights-Alliance für das südliche Afrika: "Österreich hat dem Global Fund geschrieben, dass es in den kommenden vier Jahren nichts beitragen wird. Das wäre keine Priorität in der Entwicklungszusammenarbeit. (...) Aids ist nicht 'überfinanziert', die Herausforderung ist die Unterfinanzierung von Gesundheit."

Fischer sieht Chance, die Ziele zu erreichen

Werde die weitere Konferenz so intensiv, inspirierend und energetisch wie die Eröffnung, bestehe tatsächlich die Chance, dass jene Recht haben, die so optimistisch an das baldige Erreichen der angestrebten Ziele glauben, zeigte sich Bundespräsident Heinz Fischer bei seinen Schlussworten von den Reden der verschiedenen Teilnehmer überwältigt. "Die Ausführungen waren beeindruckend, vor allem jene über das Leid von Frauen und Kindern. Es ist außerdem bemerkenswert, die geografischen Aspekte zu verstehen und zu begreifen." Mut machen laut Fischer die Fortschritte der Medizin, die ständig neue Möglichkeiten eröffnen würden.

(APA)

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