Kinderzeitung

Julia und der Mutmach-Geist

Julia und Pfarrer Wilfried bereiten die Lieder für Pfingsten vor.
Julia und Pfarrer Wilfried bereiten die Lieder für Pfingsten vor.(c) Caio Kauffmann
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Julia Schnizlein wird evangelische Pfarrerin. Was ihre kleine Tochter damit zu tun hat, wie ihr Alltag aussieht und wieso manche Menschen denken, dass sie Lastwagen lenkt, erzählt sie der »Presse«-Kinderzeitung.

Ein Zufall ist das, ein guter: Der erste Gottesdienst nach vielen Wochen Coronasperre findet am Geburtstag der Kirche statt. Denn den feiern wir zu Pfingsten, erzählt Julia Schnizlein, Pfarramtskandidatin in der Lutherischen Stadtkirche in Wien. „Jesus ist gestorben, auferstanden und in den Himmel gefahren. Seine Jünger waren alleine, verunsichert und verängstigt. Plötzlich kamen Flammen vom Himmel und ein Mutmach-Geist und da wussten die Jünger wieder: Gott ist da. Sie zogen in die Welt, um von Jesus zu erzählen, und dann hatten auch viele andere den Mut, das Evangelium zu verbreiten – die Kirche war geboren.“

Plötzlich auf YouTube. Von Jesus erzählen will auch Julia, auf Instagram nennt sie sich Juliandthechurch (Julia und die Kirche). Viel Planung, viel Vorbereitung und viel Vorfreude stecken dahinter, wenn heute die Stadtkirche wieder ihre Tore öffnet. 65 Besucher dürfen den Pfingstgottesdienst vor Ort mitfeiern, 40 konnten sich voranmelden, die restlichen 25 Plätze sind für Spontanbesucher frei. Im Normalfall haben 600 Gläubige in der Stadtkirche Platz, wegen der Abstandsregeln derzeit viel weniger. Damit trotzdem mehr Menschen mitfeiern können, wird der Gottesdienst live auf YouTube übertragen. Das ist eine der Neuerungen, die Corona gebracht hat – anfangs eine Herausforderung für das Team der Stadtkirche. „Am Donnerstag kam die Nachricht vom Lockdown. Wir haben spontan entschieden: Wir wollen schon am Sonntag streamen.

Innerhalb von drei Tagen haben wir das auf die Beine gestellt. Wir mussten auch die Ausrüstung erst besorgen, das war zu Beginn eine Zitterpartie“, erzählt Julia. Über 21.000 Mal wurden die Gottesdienste online angeklickt, mehr als 8000 Menschen haben mitgefeiert. Sogar Zuseher aus Deutschland, Rumänien oder aus den USA waren dabei. Julia freut sich, dass es ihr und ihrem Kollegen Wilfried Fussenegger gelungen ist, trotz der Distanz ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen.

Eine Krise und ein Aufbruch. Das Gemeinschaftsgefühl, die Verbundenheit mit anderen Menschen – das waren auch die Gründe, wieso Julia Pfarrerin wurde. „Ich wollte mit Menschen arbeiten, Menschen begleiten und Menschen von Gott erzählen. Und ja, Religion war immer mein Lieblingsfach in der Schule“, sagt sie. Sie studierte Theologie, ein langes Studium, das sechs Jahre dauert. „Denn man lernt auch drei Sprachen: Hebräisch, Griechisch und Latein.“ Nach dem Studium fühlte sie sich zu jung für den Pfarrerinnenberuf, sie arbeitete zunächst als Journalistin.

Dann kam eine schwierige Situation in ihrem Leben. „Meine Tochter Elsa kam mit einem halben Herzen zur Welt. Wir haben sie gleich nach der Geburt taufen lassen. Sie musste dreimal am offenen Herzen operiert werden. In dieser Situation konnte ich mein Kind nicht beschützen. Ich musste darauf vertrauen, dass Gott es beschützt. Und ich habe ihn auch gespürt.“ Alles ging gut, Elsa ist heute ein aufgewecktes Kindergartenkind. Doch für Julia war klar: Sie wollte zurück in die Kirche.
Drei Jahre dauert das Vikariat, also die praktische Ausbildung zur Pfarrerin: Wie hält man eine Predigt? Wie teilt man das Abendmahl aus? Wie gestaltet man eine Taufe oder eine Beerdigung? All das lernte und übte sie. Auch Stimmbildung ist Teil der Ausbildung – Pfarrerinnen und Pfarrer singen schließlich viel.

Gerade hat Julia die praktische Ausbildung abgeschlossen, sie ist nun eine von rund hundert evangelischen Pfarrerinnen in Österreich. „Wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde, verstehen viele, dass ich Fahrerin bin, also dass ich Lkw lenke oder so“, sagt sie lachend. „Aber in Österreich ist der Beruf des Pfarrers sehr männlich geprägt – in Deutschland gibt es mehr Evangelische und daher auch mehr Pfarrerinnen.“ Sie selbst hält Jesus Umgang mit den Frauen in der Bibel für sensationell und revolutionär. „Etwa in der Auferstehungsgeschichte. Als Maria Magdalena zum Grab kommt und dieses leer vorfindet, steht plötzlich Jesus hinter ihr. Sie hält ihn für den Gärtner – er spricht sie mit ihrem Namen an, da erkennt sie ihn und er trägt ihr auf, der Welt von seiner Auferstehung zu erzählen. Sie war die erste Apostelin.“

Freude und Leid. Als Pfarrerin erlebt Julia viele sehr emotionale Situationen. Ist ihr manchmal zum Weinen zumute? „Ja, das kommt schon vor. Meist versuche ich allerdings, ein Anker zu sein, Stabilität zu bieten, Trost zu spenden. Einmal habe ich mit den Eltern eines sehr kranken Kindes gebetet, da musste ich selbst weinen. Aber auch bei Hochzeiten kommen mir manchmal Tränen – vor Freude.“ Hat sie eigentlich Lampenfieber, wenn sie vor vielen Menschen spricht, predigt und singt? Angst, dass etwas schiefgeht? „Ja, immer. Zehn Minuten vor Beginn des Gottesdienstes bin ich sehr aufgeregt und nicht ansprechbar. Doch sobald die Orgel zu spielen beginnt, werde ich wieder ganz ruhig.“

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