Auktionswoche

Tulpenwahn im Dorotheum

Einen Affenzirkus machte Jan Brueghel d. J. aus der Tulpenmanie. Das Dorotheum schätzt das Bild auf 250.000 bis 350.000 Euro.
Einen Affenzirkus machte Jan Brueghel d. J. aus der Tulpenmanie. Das Dorotheum schätzt das Bild auf 250.000 bis 350.000 Euro. (c) Vincent Everarts - Photography/ Dorotheum
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Das Dorotheum startet mit der Classic Week wieder Liveauktionen. Am Programm stehen Alte Meister, Antiquitäten und Bilder des 19. Jh.

Die Tulpenmanie in den Niederlanden des 17. Jahrhunderts wird als die erste gut dokumentierte Spekulationsblase in der Wirtschaftsgeschichte angesehen. Sie wird bis heute auch metaphorisch zur Charakterisierung anderer, anscheinend irrationaler und riskanter Finanzentwicklungen gebraucht. Und der aus den Fugen geratene Tulpenhandel wurde auch künstlerisch verarbeitet.

Aber wie kam es nun zu diesem Tulpenwahn? „Die Tulpe gelangte im 16. Jahrhundert durch einen flämischen Botschafter aus dem Osmanischen Reich in die Niederlande und wurde im botanischen Garten der Universität Leiden erstmals systematisch kultiviert. Das nahe gelegene Amsterdam war das Zentrum des Ostindienhandels; der Import von Gewürzen erwirtschaftete Riesengewinne. In den 1620er-Jahren wurden in den Niederlanden manche Tulpensorten von einem Virus befallen, der den Blüten ein flammenfarbiges Erscheinungsbild verlieh und sie für französische Händler umso begehrenswerter machte. Weil Ableger damals sieben bis zwölf Jahre reiften, überwog die Nachfrage schon bald das Angebot und die Preise explodierten.“ So schildern Damian Brenninkmeyer und Sigmund Oakeshott, Experte respektive Kunsthistoriker für Alte Meister im Dorotheum London, die Geschichte.

Optionsscheine wurden für Tulpenzwiebeln abgeschlossen und bei Auktionen mehrfach weiterverkauft, ohne dass die Käufer oder Verkäufer je eine Blume zu Gesicht bekommen hätten. „Die Preise schossen in die Höhe, bis im Februar 1636 bei einer Wirtshausversteigerung im pestgebeutelten Haarlem die Käufer ausblieben. Nachdem sich das herumgesprochen hatte, fiel der Wert der Verträge über noch nicht gezüchtete Tulpen in den Keller. Viele Spekulanten schlitterten in den Ruin“, so die Experten. Die Geschichte des Tulpenwahns wurde mehrfach in der Kunst thematisiert. Zu den bekanntesten Werken zählen Hendrik Gerritz Pots satirisches Bild „Floras Narrenwagen“ sowie „Allegorie der Tulipomanie“ von Jan Brueghel dem Jüngeren, der in mehreren narrativen Einzelszenen Affen in Menschenkleidern darstellte. Ein Werk befindet sich im Frans-Hals-Museum in Haarlem. Eine andere Version kommt am 9. Juni im Auktionshaus Dorotheum im Rahmen der Altmeisterauktion zum Aufruf. Der Schätzpreis beträgt 250.000 bis 350.000 Euro. 2011 erzielte übrigens eine Version der „Allegorie der Tulipomanie“ im Auktionshaus im Kinsky 92.500 Euro.

Erste Liveauktionen. Die Altmeisterauktion ist Teil der Classic Week im Dorotheum, die ursprünglich im April hätte stattfinden sollen. Jetzt wird die Auktionswoche, die neben Alten Meistern auch Antiquitäten und Möbel, Gemälde des 19. Jahrhunderts und Juwelen umfasst, vom 4. bis 10. Juni nachgeholt. Seit dem coronabedingten Shutdown sind es die ersten Liveauktionen, die stattfinden. Bieter können per Livestream, per Telefon, schriftlich oder über Sensal mitbieten. Ob auch Bieter direkt im Auktionssaal zugelassen werden, ist noch nicht entschieden. Zumindest die Vorbesichtigung der Höhepunkte ist mit genügend Abstand aber real möglich.
Apropos Höhepunkte: Bei der Altmeisterauktion gehört neben dem Gemälde zur Tulpenmanie auch eine Neuentdeckung zu den Toplosen. „Lot und seine Töchter“ ist ein bis jetzt unpubliziertes Bild von Massimo Stanzione, das sich in einer europäischen Privatsammlung befand. Es ist die einzige bekannte hochformatige Version des in der neapolitanischen Malerei des 17. Jahrhunderts populären alttestamentarischen Motives von Stanzione. In dem farbgewaltigen Gemälde verband Stanzione den Realismus Caravaggios mit dem Klassizismus eines Guido Reni und Annibale Carracci. Das machte ihn zu einem der erfolgreichsten Maler seiner Zeit. Der Schätzwert beträgt 200.000 bis 300.000 Euro.
„Die Anbetung der Könige“ des flämischen Meisters Pieter Coecke van Aelst wiederum hat eine königliche Provenienz: Das Triptychon gehörte einst König Wilhelm II. Er war als Prinz von Oranien eine Instanz in Fragen des Geschmacks und Pionier im Sammeln flämischer Renaissancekunst. Das zur Auktion gelangende Gemälde war ursprünglich der Mittelteil eines Triptychons. Im Dorotheum kommt es jetzt mit einer Taxe von 400.000 bis 600.000 Euro unter den Hammer.
Alte Meisterinnen sind seit einiger Zeit am Radar der Kunstsammler erschienen und erzielen steigende Preise. Auch bei der kommenden Auktion ist wieder ein Werk einer Alten Meisterin vertreten. Lavinia Fontana war zudem eine der ersten nichtadeligen Profimalerinnen der Geschichte. Die berühmte Porträtistin malte den, wie die Inschrift sagt, 25-jährigen Gerardo Giavarini, der von Papst Clemens VIII. anlässlich seines Bologna-Aufenthaltes zum Pagen ernannt wurde. Die am Bild ebenfalls befindliche Darstellung von Venus und Amor, auf die der Porträtierte zeigt, lässt darauf schließen, dass das Gemälde als Geschenk für die zukünftige Ehefrau des Pagen gedacht war. Das Bild wird auf 80.000 bis 120.000 Euro geschätzt.

Orientalismus. Bei der Sparte Gemälde des 19. Jahrhunderts ließ sich der italienische Maler Alberto Pasini von Motiven des Nahen Ostens inspirieren. So fing er in seinem Meisterwerk „Orientalischer Markt vor einem Portal“ eine bunte Marktszene, die Atmosphäre von sommerlicher Hitze, die bunten Gewänder und die aufwendige Architektur ein. „Im Betrachter weckt es die Lust auf reife Wassermelonen“, sagt Expertin Katharina Nordhofen. Sie hat das Werk auf 150.000 bis 200.000 Euro geschätzt. Pietro Luchinis elegante Dame aus Konstantinopel genießt hingegen eine Mußestunde fernab des lauten Treibens auf den Straßen. Es ist auf 100.000 bis 150.000 Euro taxiert. Der aus Bergamo stammende Künstler übersiedelte, wie auch Pasini, nach Konstantinopel und arbeitete dort vor allem als Porträtmaler. Viele Moden und Stile bestimmten die Malerei des 19. Jahrhunderts, aber kein Phänomen hat diese Epoche mehr geprägt als der Orientalismus. ?

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