Literatur

Mörderischer Tanz auf dem Vulkan

Fräulein Beers Gespür für Verbrechen macht das „Das Schwarze Band“ zu einem lesenswerten Krimi.
Fräulein Beers Gespür für Verbrechen macht das „Das Schwarze Band“ zu einem lesenswerten Krimi.(c) Ian Ehm
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Die österreichische Autorin Alex Beer liefert auch im vierten Teil ihrer Wien-Krimi-Reihe um Inspektor August Emmerich spannendes Kopfkino mit starkem sozialen Einschlag.

Wir schreiben das Jahr 1921, und Wien stöhnt unter einer beispiellosen Hitzewelle. Es gibt zahlreiche Tote, die Leute ertrinken oder sterben an Herz-Kreislauf-Versagen oder Dehydrierung. Aber nicht nur daran: August Emmerich, Kriminalinspektor bei „Leib und Leben“, und sein Assistent Ferdinand Winter werden in eine Wohnung im 20. Bezirk gerufen, wo zwei junge Frauen brutal ermordet wurden.

„Das schwarze Band“ ist bereits der vierte Teil in der historischen Wien-Krimi-Reihe der gebürtigen Vorarlbergerin Alex Beer (Daniela Larcher mit bürgerlichem Namen). Alle Bücher sind in einem zeitlich eng gefassten Rahmen angesiedelt – den Jahren 1920/21 –, die Mischung aus Krimihandlung, historischem Ambiente und sozialen Aspekten mit starker Neigung zu Frauenthemen ist bewährt, die Figuren sind wohl bekannt. Umso erstaunlicher ist, dass sich im vierten Teil nicht nur keinerlei Routine eingeschlichen hat, sondern Beer zu Höchstform aufläuft und ihren Lesern ganz großes Kopfkino mit viel Spannung bietet.

Der brillante, aber ruppige August Emmerich wird in „Das schwarze Band“ seinem Ruf mehr als gerecht. Der Mann, von dem sogar sein einstiger Waisenhaus-Spezi, späterer Unterweltboss und Neo-Parlamentsabgeordneter Veit Kolja sagt, er sei ein „Sauprolet“, tigert diesmal mit besonders kurzer Lunte durch Wien. Damit passt er perfekt in die Stadt, die klimatisch wie politisch am Überkochen ist. Bei Emmerich liegt es vor allem daran, dass er die drei Kinder seiner ermordeten Geliebten Luise zu sich genommen hat und mit zu wenig Geld und noch weniger Unterstützung den arbeitenden Alleinerzieher à la 1921 gibt.


Welt der Bars und Bordelle. Das macht ihn höchst empfänglich für die himmelschreienden sozialen Ungerechtigkeiten. Die Armen werden immer ärmer – unter anderem durch die rasante Abwertung der Währung –, die Reichen legen mithilfe von Devisen ein fröhliches Tänzchen auf dem Vulkan hin. Zwielichtige Bars und Bordelle haben Hochkonjunktur – und es sind nicht nur junge „Luder“ wie die beiden Mordopfer, die dort anschaffen gehen. Viele Familien haben durch den Ersten Weltkrieg den Ernährer verloren, weshalb sich neben Frauen aus der Arbeiterklasse auch Beamtinnen, Offiziersgattinnen und verarmte Baronessen als Prostituierte verdingen müssen.

Emmerichs Zorn auf die Welt im Allgemeinen und die Politiker im Besonderen entlädt sich ausgerechnet bei einer Ehrung für Ex-Polizeipräsident Johann Schober, der zum Bundeskanzler ernannt wurde. Als mitgehört wird, wie er diesen einen „privilegierten Geldsack und Emporkömmling“ nennt, wird er bald darauf zu einem Benimmkurs in der Marokkaner-Kaserne verdonnert, von dessen Bestehen seine berufliche Zukunft abhängt.

Dieser Kurs kommt dem wenigstens sprichwörtlich mit allen Wassern gewaschenen Ermittler von Anfang an etwas seltsam vor. Soll er aus dem Weg geräumt werden, um die Ermittlungen rund um den Tod der beiden Mädchen zu sabotieren? Sein Adlatus Winter muss deshalb jedenfalls zum ersten Mal allein in Kreisen ermitteln, auf die ihn seine adelige Herkunft nicht vorbereitet hat. Oder gibt es einen noch sinistereren, politischen Hintergrund?


Zäh wie ein sibirischer Häuselratz. Alex Beer schafft es in „Das dunkle Band“, das Wien der Zwischenkriegszeit plastisch aus den Seiten treten zu lassen. Man riecht förmlich, wie es in der voll besetzten Tramway stinkt, drängt sich mit den Arbeitern im Vorstadt-Tschecherl um ein Glas billigen Heckenklescher oder soupiert mit den ihres Titels beraubten Adeligen in schattigen Villengärten. Beer recherchiert sorgfältig, wo sie sich Freiheiten mit den Fakten nimmt, vermerkt sie das im Nachwort. Das alles verbindende Band aber ist August Emmerich, der grantige Kieberer mit Herz, ein Magnet für Schwierigkeiten aller Art, aber gleichzeitig „zäh wie ein sibirischer Häuselratz“. Und wie schon in den vorangegangenen Bänden lässt Beer auch hier die Leser nicht im Dunkeln: Diese Geschichte ist noch immer nicht zu Ende.

Neu Erschienen

Alex Beer
Das schwarze Band


Limes Verlag
352 Seiten
20,90 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2020)

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