Die Proteste in den USA wegen des Tods von George Floyd während einer Polizeikontrolle dauern an. Der Präsident, Donald Trump, wurde in einem Bunker untergebracht.
Nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis kommen die USA nicht zur Ruhe. In mehreren US-Metropolen kam es in der sechsten Nacht in Folge zu Protesten, die teils in Gewalt ausarteten. Der Sender CNN berichtete, in New York seien Tausende Menschen auf die Straße gegangen.
Auf Fernsehbildern waren brennende Fahrzeuge in Boston und Plünderungen in Philadelphia zu sehen. Auch aus Los Angeles wurden Plünderungen berichtet.
In der US-Hauptstadt Washington, D. C. zogen Demonstranten am Sonntagabend erneut vor das Weiße Haus. Es kam zu Zusammenstößen mit der Polizei. Demonstranten skandierten "Kein Frieden ohne Gerechtigkeit". Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Pfefferspray und Blendgranaten gegen Menschen ein, die sich in einem an den Amtssitz von US-Präsident Donald Trump angrenzenden Park versammelt hatten. Demonstranten entzündeten dort mehrere große Feuer. CNN meldete, bereits am Freitag sei Trump wegen der Proteste vor dem Weißen Haus in einen Bunker gebracht worden.
Nach etwas weniger als einer Stunde habe Trump den Bunker wieder verlassen können, berichtete der Fernsehsender CNN. Der Schutzraum ist für außergewöhnliche Gefahrensituationen vorgesehen, wie etwa Terroranschläge. Sehen die Sicherheitskräfte im Weißen Haus eine größere Bedrohung, bringen sie den Präsidenten dorthin - was selten vorkommt. Während der Terroranschläge vom 11. September 2001 wurden beispielsweise der damalige Vizepräsident, Dick Cheney, und andere hochrangige Regierungsmitglieder in Sicherheit gebracht, der damalige Präsident, George W. Bush, hielt sich in Florida auf.
Trump meldete sich am Samstag, am Tag nach seinem kurzzeitigen Bunkeraufenthalt mit einer Serie von - teils martialischen - Tweets zu Wort. Darin lobte er die Arbeit des Secret Service mit Blick auf die Proteste am Vorabend. "Sie waren nicht nur total professionell, sondern auch sehr cool", schrieb Trump. "Ich war drinnen, beobachtete jede Bewegung und hätte mich nicht sicherer fühlen können." Niemand habe auch nur annähernd den Zaun des Weißen Hauses durchbrechen können. "Wenn sie es getan hätten, wären sie von den bösartigsten Hunden und den bedrohlichsten Waffen begrüßt worden, die ich je gesehen habe", drohte Trump nachträglich. "Dann wären Leute zumindest wirklich schwer verletzt worden."
Ausgangssperren im ganzen Land
Nach CNN-Angaben verhängten mindestens 40 Städte in den USA nächtliche Ausgangssperren, darunter auch Washington. Die Bürgermeisterin von Washington, Muriel Bowser, ordnete für die Nacht auf Montag eine Ausgangssperre für den gesamten Hauptstadtbezirk an.
Von den Maßnahmen waren demnach insgesamt zehn Millionen Menschen betroffen. Der Gouverneur des Bundesstaats Arizona, Doug Ducey, erließ sogar für die gesamte Woche bis zum 8. Juni eine nächtliche Ausgangssperre.
Mindestens 15 der 50 US-Bundesstaaten und der Hauptstadtbezirk, Washington, mobilisierten die Nationalgarde mit insgesamt 5000 Mitgliedern, wie CNN berichtete. Die Nationalgarde gehört zur Reserve der US-Streitkräfte und kann in Bundesstaaten in Ausnahmesituationen zu Hilfe gerufen werden.
In der direkt an Minneapolis angrenzenden Stadt St. Paul versammelten sich tausende Menschen vor dem Kapitol, in dem Gouverneur und Generalstaatsanwalt sowie das Parlament von Minnesota ihre Amtssitze haben. Ihre Generation sei "die Unterdrückung leid", sagte die 31-jährige Afroamerikanerin Muna Abdi. Sie wolle, dass ihr dreijähriger Sohn "am Leben bleibt". Größere Demonstrationen gab es am Sonntag auch in New York und Miami.
Trump: Antifa als Terrororganisation einstufen lassen
Trump machte am Sonntag erneut linksradikale Gruppen und die Antifa - eine Abkürzung für Antifaschisten - für die Ausschreitungen verantwortlich. Er kündigte an, die Antifa solle als Terrororganisation eingestuft werden. Details ließ er offen. Die Antifa hat keine zentrale Führungs- oder Organisationsstruktur. Zum Antifaschismus bekennen sich zahlreiche unterschiedliche linke oder auch linksradikale Gruppen in den USA.
Floyd war am Montagabend nach einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota gestorben. Einer von vier beteiligten Beamten drückte dem 46-Jährigen minutenlang sein Knie in den Nacken. Bitten des Afroamerikaners, ihn atmen zu lassen, ignorierte er. Bei den Protesten in Washington und anderen Städten trugen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift „I can't breathe“ - "ich kann nicht atmen".
Biden versteht Proteste, warnt aber vor „unnötiger Zerstörung“
Bereits in den vergangenen Nächten war es bei Protesten in zahlreichen Städten zur Gewalt gekommen - von New York City an der Ostküste bis Los Angeles an der Westküste. Nach Angaben örtlicher Behörden wurden Hunderte Menschen festgenommen. Alleine in Los Angeles meldeten die Sicherheitskräfte am Sonntag rund 400 Festnahmen, in Chicago mehr als 200.
Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, verurteilte ebenfalls die Gewalt, unterstrich aber auch das Recht auf Demonstrationen gegen Polizeigewalt. "Gegen solche Brutalität zu protestieren, ist richtig und notwendig", erklärte er. Dies rechtfertige aber keine "unnötige Zerstörung". Biden besuchte am Sonntag nach eigenen Angaben den Ort eines Anti-Rassismus-Protests im Bundesstaat Delaware. Dabei sei es ihm darum gegangen, den Menschen "zuzuhören", twitterte der frühere Vizepräsident.
In weiteren Tweets lobte Trump hingegen erneut den Einsatz der Nationalgarde im US-Bundesstaat Minnesota, wo die Proteste ausgebrochen waren, und mahnte, die Kräfte hätten früher angefordert werden sollen. In einem anderen Tweet schrieb der Präsident in Großbuchstaben schlicht: "Recht & Ordnung!" Trump wirft den Demokraten immer wieder vor, nicht hart genug gegen Kriminalität vorzugehen.
Polizeichef entschuldigt sich bei Angehörigen
Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, entschuldigte sich am Sonntagabend bei den Angehörigen Floyds. "Wenn ich irgendetwas tun könnte, um Herrn Floyd zurückzubringen, würde ich Himmel und Erde bewegen, um es zu tun", sagte Arradondo bei einem Auftritt an dem Ort, an dem Floyd getötet worden war. Arradondo hatte die vier beteiligten Polizisten entlassen. Einer davon - der über Minuten hinweg sein Knie auf Floyds Nacken gedrückt hatte - wird wegen Mordes angeklagt.
Der Bruder des Toten, Philonise Floyd, sagte CNN am Sonntagabend, er fordere, dass auch die anderen drei Ex-Polizisten festgenommen würden. "Ich will Gerechtigkeit - jetzt." Das Weiße Haus kündigte an, Trump werde am Montag im Lagezentrum der US-Regierungszentrale eine Videokonferenz mit Gouverneuren und Vertretern von Sicherheitsbehörden abhalten. Dabei werde es darum gehen, wie Gemeinschaften in den USA geschützt würden.
(APA/AFP/dpa)