Polizeigewalt in den USA

Wie „I can't breathe“ zum Schlachtruf wurde

(c) APA/AFP/MARK FELIX
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Immer wieder haben tödliche Schüsse auf Afroamerikaner in den vergangenen Jahren das Land erschüttert und zu schweren Unruhen geführt. Eine Auswahl der prominentesten Fälle.

Wien. „Ich kann nicht atmen“ waren die letzten Worte von Eric Garner, bevor er im Juli 2014 am Tompkinsville Park in New York ums Leben kam. Wie im Fall von George Floyd wurden Garners letzte Atemzüge in einem Handyvideo dokumentiert. Der an Asthma erkrankte 43-jährige Afroamerikaner war Polizisten aufgefallen, die ihn verdächtigten, illegal Zigaretten zu verkaufen. Als sich der 1,90 Meter große Mann mit Händen und Füßen gegen seine Festnahme wehrte, überwältigten ihn die Beamten und nahmen ihn in den Schwitzkasten. Einige Minuten später war er tot. Woran er starb, ist bis heute nicht geklärt. „Ich kann nicht atmen“ wurde daraufhin zu einer Art Schlachtruf der „Black Lives Matter“-Bewegung. Der Fall löste in den USA eine heftige Diskussion über Polizeigewalt aus. Die verantwortlichen Polizisten mussten sich vor Gericht jedoch nie verantworten.

Nur kurze Zeit später – im August 2014 – erschütterte ein weiterer Fall die Vereinigten Staaten: In Ferguson im Bundesstaat Missouri hatte der 18-jährige Schüler Michael Brown mit einem Freund gerade in einem Laden Zigaretten gestohlen, als ein Polizist in seinem Streifenwagen auf die Burschen aufmerksam wurde. Als sich aus dem Gespräch mit den beiden ein Gerangel entwickelte, zog der Beamte seine Waffe und streckte den unbewaffneten Brown mit mehreren Schüssen nieder. Der Fall löste wochenlange Unruhen in Ferguson und gewaltsame Proteste in zahlreichen Städten aus.

Schüsse wegen einer Spielzeugpistole

Trotzdem kam es nur Monate später, im November 2014, in Cleveland im Bundesstaat Ohio zu einem besonders tragischen Beispiel für Polizeigewalt: Der erst zwölfjährige Tamir Rice spielte auf einem Parkplatz mit einer Spielzeugpistole. Ein Passant alarmierte daraufhin die Polizei, äußerte dabei aber die Vermutung, dass die Waffe womöglich nicht echt sei. Das hinderte einen der Polizeibeamten nicht daran, direkt nach der Ankunft des Streifenwagens auf das Kind zu zielen: Ein Video zeigte, dass zwischen dem Eintreffen der Polizisten und den Schüssen weniger als drei Sekunden vergingen. Später hieß es, die Notrufzentrale habe den Hinweis auf eine mögliche Spielzeugpistole wohl nicht an die Beamten weitergegeben. Der Schütze wurde entlassen.

Eine Lappalie wurde Wochen später dem vierfachen Familienvater Rumain Brisbon in Phoenix, Arizona, zum Verhängnis: Er starb im Dezember 2014, weil er sich bei einer Polizeikontrolle weigerte, seine Hand aus der Hosentasche zu nehmen. In der Hose befand sich allerdings keine Waffe, wie der Polizist vermutete, sondern lediglich eine Packung Medikamente.

Zu schweren Ausschreitungen kam es auch im April 2015 in Baltimore im Bundesstaat Maryland: Der 25-jährige Freddie Gray war festgenommen worden, weil er vor der Polizei davongerannt war. Was genau anschließend im Polizeiwagen passierte, ist bis heute nicht restlos geklärt. Fest steht jedoch, dass der an Händen und Füßen gefesselte Gray auf dieser Fahrt schwere Rückenmarksverletzungen erlitt. Er fiel ins Koma und starb wenige Tage später im Krankenhaus. Die Polizei sprach von einem Unfalltod.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2020)

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