Die USA sind tief gespalten, ein Ende der Aggression ist nicht in Sicht. Unter der Oberfläche brodelt es bereits seit Monaten. Der Fall Floyd hat das Fass nun zum Überlaufen gebracht.
Der Morgen danach an der Flatbush Avenue in Brooklyn: Graffiti prangen an den Holzbarrikaden vor dem Apple-Laden, in weiser Voraussicht hatte die Firma am Wochenende ihre riesige Glasfront geschützt, ehe auch in der Nacht auf Montag Tausende Demonstranten ihren Zug durch New York hier starteten. „Diese Stadt gehört uns“ und „Fuck the Police“ ist zu lesen. Wenige Meter weiter ist der Gehsteig voller Glasscherben. Nicht alle Läden haben ihre Schaufenster rechtzeitig verbarrikadiert.
Eine Woche nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd, der in Minneapolis starb, nachdem ihm ein weißer Polizist minutenlang sein Knie in den Hals gedrückt hatte, ist in den USA kein Ende der Aggression in Sicht. Die Demonstrationen weiteten sich über das Wochenende aus. Von New York über Washington und Chicago bis Los Angeles gingen die Menschen auf die Straßen, um ihren Unmut gegen Polizeigewalt kundzutun.
Dabei kam es zunehmend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Zumindest eine Person starb, zahlreiche Einsatzwagen wurden in Brand gesetzt, in Washington setzten die Behörden Tränengas gegen Protestierende vor dem Weißen Haus ein. In New York drohte die Lage mehrmals völlig zu eskalieren, etwa als eine Gruppe einen Streifenwagen umzingelte und mit Gegenständen bewarf, woraufhin das Auto in die Menschenmenge fuhr, um diese zurückzudrängen. Bürgermeister Bill de Blasio kündigte umgehend eine Untersuchung an, lobte aber gleichzeitig die Zurückhaltung vieler Polizisten, die sich mit einer größer werdenden Zahl gewalttätiger Gruppen konfrontiert sähen.
Zwischen den Stühlen
Das Weiße Haus und Präsident Donald Trump sitzen dabei zwischen den Stühlen. Auf der einen Seite hat die ganze Nation Verständnis für die Wut der Afroamerikaner. Videos zeigen, wie Floyd minutenlang um Luft rang und den Polizisten, der nun in Haft sitzt, anflehte, das Knie von seinem Hals zu nehmen. „Ich kann nicht atmen“ wiederholte Floyd, ehe seine Stimme für immer verstummte. Selbst Rush Limbaugh, der erzkonservative Kommentator, sonst einer der härtesten Verteidiger der Exekutive, gestand ein: „Ich kann keinen Grund finden, diese Tat zu rechtfertigen.“ Auch Trump drückte Sympathie für die Familie Floyds und für friedliche Proteste aus.