Beschäftigung

Angst vor arbeitslosen Jugendlichen

Im Mai waren 517.000 Menschen in Österreich arbeitslos, das waren zwar um 45.000 weniger als im April, doch vor allem junge Leute haben Probleme, einen Job zu finden.

Wer wissen möchte, wie es um die Jobchancen junger Menschen steht, findet die Antwort weniger in Arbeitslosenstatistiken als vielmehr in den Schülerlisten der Oberstufen. Denn bereits jetzt zeichnet sich an vielen Berufsbildenden Höheren Schulen ab, dass im kommenden Schuljahr mehr Jugendliche die Schulbank drücken werden als ursprünglich geplant und erwartet. „Viele machen aus der Not eine Tugend“, berichten Pädagogen. Denn jene, die eigentlich geplant hatten, eine Lehre anzugehen oder nach einer Fachschule ins Berufsleben einzusteigen, entschließen sich mangels Jobangebots, die Schulkarriere fortzusetzen. Es werden Tausende sein – und sie werden zwar in den Schul-, nicht aber in den Arbeitsmarktstatistiken aufscheinen.

Die Statistiken des Arbeitsmarktservice (AMS) sind auch so schon dramatisch genug. Ende Mai waren mehr als 517.000 Personen arbeitslos oder in Schulung, das sind um 174.000 mehr als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote belief sich auf 11,5 Prozent.

Dass die Wirtschaft im Mai schrittweise hochgefahren wurde, hat sich natürlich auch positiv auf die Arbeitslosigkeit ausgewirkt. Im Vergleich zu Ende März haben 45.000 Menschen wieder einen Job gefunden. „Das liegt nicht nur an saisonalen Effekten, die Lockerungen machen sich auch auf dem Arbeitsmarkt bereits bemerkbar“, sagte Arbeitsministerin Christine Aschbacher bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (beide ÖVP) am Dienstag in Wien. „Die Zahlen gehen in die richtige Richtung.“ Der Arbeitsmarkt ziehe „Schritt für Schritt an“, sagte die Arbeitsministerin.

Die Presse, GK

Was sie nicht sagte: Ob die nächsten Schritte ebenfalls in die richtige Richtung gehen werden, wird Anfang Juli klar sein. Denn bis 30. Juni ist die Insolvenzantragspflicht bei Überschuldung von Kapitalgesellschaften ausgesetzt. Die befürchtete Pleitewelle könnte dann über Österreich hereinbrechen. Und dies würde auch wieder höhere Arbeitslosigkeit bedeuten.

Anfang Juli wird es also nicht nur für die Schülerinnen und Schüler ein Zeugnis geben. Wie stark diese Pleitewelle ausfallen wird, hängt davon ab, ob die Maßnahmen der Regierung greifen und die Hilfsgelder bei den Unternehmen ankommen, betonte bereits im April der Chef des Kreditschutzverbands von 1870, Ricardo-José Vybiral.

Sommer der Wahrheit

Der Sommer der Wahrheit wird zeigen, ob mit dem Höchststand von 588.000 Arbeitslosen Mitte April bereits das Schlimmste vorüber ist oder nicht. Vor dem Corona-Shutdown Mitte März gab es rund 400.000 Personen in Österreich ohne Job.

Statistiken sind bekanntlich immer mit Vorsicht zu genießen. So steht nun plötzlich Wien mit Plus 38 Prozent Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr verhältnismäßig gut da, während sich im Tourismusland Tirol die Arbeitslosigkeit mit plus 98 Prozent beinahe verdoppelt hat. Tatsächlich hatte Wien auch ohne Coronakrise im Februar eine Arbeitslosenquote von 12,2 Prozent. In Tirol herrschte hingegen mit 4,1 Prozent de facto Vollbeschäftigung.

Nach Branchen betrachtet gab es den stärksten Arbeitslosenzuwachs im Bereich Beherbergung und Gastronomie mit plus 122 Prozent auf 98.500 Betroffene. Die coronabedingte Sperre der Gastronomie endete nach zwei Monaten Mitte Mai, die Hotellerie durfte erst am 29. Mai wieder öffnen. Etwas niedriger fiel das Plus in der Verkehrsbranche und im Lagerwesen mit plus 72 Prozent sowie auf dem Bau mit plus 71 Prozent aus. Bei der Warenherstellung gab es Ende Mai um knapp 50 Prozent mehr Arbeitslose und Schulungsteilnehmer als vor einem Jahr, bei der Arbeitskräfteüberlassung (+ 47,0 Prozent), im Handel (+ 45 Prozent) und im Gesundheits- und Sozialwesen (+ 41 Prozent).

Die Zahl der sofort verfügbaren Stellen war Ende Mai mit 57.600 Jobs um 30 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat. Auch die Anzahl der sofort verfügbaren Lehrstellen war mit rund 4600 Stellen um 21 Prozent niedriger als im Mai 2019. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck verwies auf das Lehrlingspaket der Regierung. Bis 31. Oktober können Unternehmen einen Lehrstellen-Bonus beantragen, 1000 Euro beim Start der Lehre und 1000 Euro beim Behalten des Lehrlings nach der Probezeit.

Kurzarbeit „voll auf Schiene“

Dieser Tage wird bei der Auszahlung der Corona-Kurzarbeitsgelder die Marke von einer Milliarde Euro überschritten, berichtete Arbeitsministerin Aschbacher. Gegenüber der Vorwoche sei dies eine Verdoppelung der Auszahlungen. Aschbacher zeigte sich mit dem Auszahlungsstand der Kurzarbeitsgelder zufrieden. „Die Abrechnung der Kurzarbeit ist voll auf Schiene.“ Für 1,37 Millionen Arbeitnehmer ist Kurzarbeit möglich. Es sei aber noch nicht berücksichtigt, dass einige Kurzarbeitsprojekte Ende Mai ausgelaufen sind.

Laut Arbeitsministerium haben rund 60.000 Unternehmen Corona-Kurzarbeitsgeld erhalten, rund 100.000 Abrechnungen in Höhe von 907 Millionen Euro sind bearbeitet. Bis dato hat die türkis-grüne Regierung rund zwölf Mrd. Euro für die Corona-Kurzarbeit budgetiert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2020)

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