Die neuen Vorwürfe gegen Heinz-Christian Strache beschäftigen Justiz, Parlament – und Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Am Donnerstag wird er wohl auch im Untersuchungsausschuss dazu befragt werden.
Die Liste der Verfahren, die gegen Heinz-Christian Strache laufen, ist mittlerweile etwas unübersichtlich geworden: Die Justiz ermittelt gegen den ehemaligen Vizekanzler und FPÖ-Chef wegen des Verdachts der Untreue, Veruntreuung, Betrugs, Bestechlichkeit und Bestechung. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Seit dem Wochenende sind nach einem Bericht der „Presse am Sonntag“ weitere Korruptionsvorwürfe bekannt: Denn Strache forcierte in seiner Regierungszeit eine Gesetzesänderung im Gesundheitsbereich nach den Wünschen eines Bekannten – Walter Grubmüller, Betreiber einer Wiener Privatklinik. Seine Klinik wurde nach der Novelle in eine streng limitierte Liste von Anstalten aufgenommen, die vom Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) finanziell profitieren. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geht nun der Frage nach, ob es eine Gegenleistung gab – und ob es sich dabei um Korruption handelt. Sowohl Strache als auch Grubmüller bestreiten die Vorwürfe.
Am Donnerstag könnte sich Strache genauer erklären müssen. An diesem Tag startet der Untersuchungsausschuss zum Thema Ibiza die Befragungsrunden. Die Abgeordneten haben Strache, immerhin Hauptdarsteller des Videos, als eine der ersten Auskunftspersonen geladen.
Und auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) will sich die Gesetzesänderung rund um den Prikraf genauer ansehen: „Wir werden die Angelegenheit prüfen, auch im Licht der weiteren Erkenntnisse durch die Arbeit im U-Ausschuss“, heißt es aus Anschobers Büro zur „Presse“. Um jetzt eine Änderung des Prikraf zu fordern, sei es aber noch zu früh.
Wie der Prikraf entstand
Der Hintergrund: Der Prikraf wurde 2002 unter der schwarz-blauen Regierung eingerichtet und wird von den Sozialversicherungen finanziert. Der Fonds ersetzt den Privatspitälern einen Teil ihrer Kosten, wenn sie Sozialversicherte behandeln. Allerdings erhalten nur bestimmte Privatspitäler Geld – welche das sind, ist namentlich im Gesetz festgehalten.
Grubmüller kämpfte lang (und lang erfolglos) für die Aufnahme in diese Liste. Doch dann kam sein Bekannter Strache in Regierungsverantwortung: Schon während der Koalitionsverhandlungen fragte Strache bei Grubmüller per WhatsApp-Nachricht nach: „Welches Gesetz brauchst du?“ Grubmüller lieferte ihm seine Wünsche – und Strache lieferte die Gesetzesänderung. 2018 wurde sie beschlossen.
Die WKStA prüft nun eben, ob eine Parteispende von Grubmüller und angebotene Urlaube sowie Flüge mit Privatjets als Gegenleistung gesehen werden können – was Strache dementiert.
Nach dem Regierungswechsel, von Rot-Schwarz zu Türkis-Blau, wurden die Mittel für den Fonds aufgestockt. Im Jahr 2017 war er noch mit 121,5 Millionen Euro dotiert, 2019 waren es 146 Millionen Euro. Grubmüllers Klinik war die einzige, die neu in die Liste aufgenommen wurde. Die Privatklinik hält in einer schriftlichen Stellungnahme fest, dass sie „keinerlei finanziellen Vorteil aus dem Prikraf“ erhalte – „dieser kommt ausschließlich den Patienten zugute“. Die Aufstockung führte jedenfalls zu Protesten: Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger empfand die Erhöhung als „starke Bevorzugung von Privatkrankenanstalten“. „Diese Mittelerhöhung geht zulasten der öffentlichen Krankenkassen.“ Der Fonds wurde immerhin mit Beitragszahlungen aufgestockt.
Entscheidung bei Ibiza-Video
Am Dienstag gab es für die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses noch eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute zuerst: Das Ibiza-Video wird ihnen vorgelegt. Die schlechte: Vor Donnerstag wird das nicht passieren, eher erst in wenigen Wochen. Nach langer Diskussion steht nun das Prozedere fest. Zunächst soll die „Soko Tape“, auch „Soko Ibiza“ genannt, im Bundeskriminalamt das Video fertig aufarbeiten und verschriftlichen.
Die Berichte sollen danach den zuständigen Staatsanwaltschaften vorgelegt werden – das ist einerseits die Staatsanwaltschaft Wien (sie geht der Frage nach der Entstehung des Videos nach) und andererseits die WKStA (sie kümmert sich um die Inhalte des Videos). Die beiden Stellen prüfen, obman aus ermittlungstaktischen Gründen sämtliche Teile des Videos weiterleiten kann bzw. welche Geheimhaltungsstufen die Sequenzen haben. Dann geht das Video an das Justizressort von Ministerin Alma Zadić – und dann weiter an das Parlament. Darauf einigte sie sich in einem Telefonat mit Innenminister Karl Nehammer (ÖVP).
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2020)