Plattenkritik

Gerade mit Hammerflügel: Beethoven als Futurist des Klaviers

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Soll man Beethovens Klavierkonzerte auf einem Hammerflügel spielen? Gottlieb Wallisch hat es getan und präsentiert alle sechs – also inklusive der Umarbeitung des Violinkonzerts – mit der Wiener Akademie unter Martin Haselböck: sensibel, zart und doch brillant.

András Schiff hat schon Recht: Wer sich heute als Pianist nie mit der engen Verbindung von Beethovens Klavierwerken und dem Instrumentenbau seiner Zeit beschäftigt hat, ist ein Ignorant, der viele Feinheiten auch auf einem neuzeitlichen Klavier nicht darzustellen weiß. Aber die Tatsache bleibt: Nie sonst klingen Originalinstrumente so unbefriedigend wie in der Solistenrolle klassischer Klavierkonzerte. Wer etwa im Großen Konzerthaussaal einen Hammerflügel angesichts einer aggressiven orchestralen Übermacht murmeln hört, der versteht, warum auch Harnoncourt und Aimard für Beethoven ein modernes Instrument benutzt haben.

Doch gerade am heiklen Punkt des Ortes setzt Martin Haselböck an: Mit seinem Orchester Wiener Akademie auf alten Instrumenten hat er in den letzten Jahren unter dem Motto „Resound Beethoven“ das vergessene Klangverhältnis von dessen Symphonien und den weitaus kleineren Sälen ihrer Premieren und anderen verbrieften Aufführungsorten live und für CD praktisch erkundet. Die Explosivität der „Eroica“ im winzigen Saal des Palais Lobkowitz, der Surroundsound avant la lettre von „Wellingtons Sieg“ in der Alten Universität: Musikerlebnisse, die uns diese Werke neu verstehen lassen. Neben den kompletten Symphonien unter Haselböck liegen nun auch Beethovens Klavierkonzerte in dieser Manier vor, eingespielt mit dem Pianisten Gottlieb Wallisch.

Reizvoller Kompromiss

Das historische, diffizile Kräfteverhältnis zwischen Klavier und Orchester lässt sich auf modernen Instrumenten leugnen. Auf alten Instrumenten kann man es als ständigen Kampf mit scheiterndem Solisten darstellen (die ermüdendste Variante) – oder im besten Sinne damit spielen. Das ist hier der Fall, bei diesem groß angelegten Kompromiss, der nie wie ein Kompromiss klingt, sondern eigentümlichen Reiz versprüht. Wallisch hat mit Bedacht nicht Instrumente streng aus den Entstehungszeiten gewählt, sondern aus späteren Beethoven-Jahren.

Das hat nicht nur den Vorteil, dass er Beethovens nachkomponierte Kadenzen verwenden kann, die zum Teil schon einen größeren Tonumfang verlangen als die Konzerte selbst, sondern es lässt auch das Klavier ganz allgemein nicht so schmerzlich schmalbrüstig erscheinen. Haselböck kommt ihm entgegen, indem er den Tutti-Pomp nie grell werden lässt, sondern stets auf die Möglichkeiten des Solisten abstimmt und das Orchester gleichsam mit ihm wachsen lässt. Wallischs fein formulierte, sensible Arabesken können sich so zu ätherischen Wirkungen entfalten, die nicht als Nebenprodukt eines Mangels an Durchsetzungsvermögen erscheinen, sondern im Gegenteil als genuiner Vorzug. So rücken die Dialoge zwischen Klavier und den charaktervoll tönenden Holzbläsern ins Zentrum, nicht nur, aber ganz besonders in den flüssig genommenen Mittelsätzen. So erweist sich Beethoven in dieser Lesart, mag sie auch vom sparsam dosierten Rubato her eher klassizistisch anmuten, doch als schwärmerischer Romantiker der ersten Stunde. Verzärtelt wird dabei dennoch nichts, man höre nur den dämonischen Klaviernachhall, der im c-Moll-Konzert, Beethovens originale Pedalisierung macht's möglich, die Schlussakkorde des Kopfsatzes durchweht.

Pauke in der großen Kadenz

Freilich, für die berühmte, aber in Notenausgaben gerne vergessene Anweisung „schwankend“ an einer Stelle im Finale des Es-Dur-Konzerts, eines von Buchbinders Lieblingsdetails, bieten Haselböck und Wallisch keine Lösung an, und im G-Dur-Konzert – mit poetisch arpeggiertem Anfangsakkord – würde man sich doch noch mehr Legato wünschen. Aber viele Details erfreuen ebenso wie die Konsequenz im Ganzen. Zugaben sind das ursprüngliche Finale des B-Dur-Konzerts und, als Hauptattraktion des Sets, die oft vergessene Klavierversion des Violinkonzerts: Allein, wie Beethoven in der großen Kadenz unerhörterweise auch die Pauke heranzieht und wie aufregend ihr Dialog mit dem Klavier hier klingt, muss man gehört haben. Nicht nur im Beethoven-Jahr.

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