Quergeschrieben

Beeinträchtigt Corona das Denkvermögen der Millennials?

Dank der Pandemie werden jene ökonomischen Rezepte wieder salonfähig, die am wenigsten geeignet sind, die vom Virus zerstörte Wirtschaft zu reanimieren.

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Zu den großen, eher ungeklärten Rätseln der Gegenwart gehört der Umstand, dass auf der ganzen Welt – vielleicht mit Ausnahme Osteuropas und der postkommunistischen Welt – junge Menschen wieder in der ein oder anderen Form mit dem Sozialismus liebäugeln. Und zwar nicht mit dem, was die derzeitige europäische Sozialdemokratie so darstellt, sondern richtig Hardcore: Verstaatlichung, Enteignung, Planwirtschaft statt Markt und all that jazz.

Es ist dies übrigens keine paranoide Vermutung ohne Erdung in der Realität, sondern ein demoskopisch bestens gesicherter Befund. Selbst in den USA, dem Herzland des Kapitalismus, misstraut diesem rund die Hälfte der Jungen, während die andere Hälfte den Sozialismus für attraktiver hält; in Deutschland ist ganz Ähnliches zu beobachten. Das ist nicht nur akademisch interessant, sondern hat Auswirkungen auf die Politik und unser aller Leben. Denn nicht nur die Regierung in Wien regiert – in dem Falle wohl ein wenig nach dem Vorbild der deutschen Kanzlerin – sehr umfragegetrieben, das ist mittlerweile Standard des Politbetriebes. Und hat zur Folge, dass ein stark in Richtung sozialistischer Ideen driftender Teil des Elektorates die Politik entsprechend treibt.

»Selbst die Neos finden nun Gefallen an der Grundsicherung; vorerst nur für Künstler, aber das sind wir ja irgendwie alle.«



Bis zu einem gewissen Grad lässt sich das auch in Österreich gut beobachten. Denn die ÖVP ist unter Sebastian Kurz nicht nur mit ihrer Ablehnung illegaler Migration groß und erfolgreich geworden, sondern durchaus mit einer Reihe von Gesetzen, die genauso von der Sozialdemokratie hätten kommen können, etwa den steuerlichen Entlastungen der Familie. Oder aktuell mit den angekündigten fiskalischen Besserstellungen von Minderverdienern ab 2021 – nicht gerade entfesselter Neoliberalismus, um es höflich zu formulieren.

Von dem hat sich die Kurz-ÖVP ohnehin völlig verabschiedet, aber auch in den anderen Parteien ist ein ähnlicher Trend zu beobachten: Teile der SPÖ ersehnen dringlich die Rückkehr zum Retro-Sozialismus der 1970er-Jahre, die Grünen betreiben das unter der Tarnung „Klimaschutz“, die FPÖ war schon immer national und sozialistisch, und selbst die Neos finden nun Gefallen an der Grundsicherung; vorerst nur für Künstler, aber das sind wir ja irgendwie alle.

Corona ist ein starker Brandbeschleuniger für diese Entwicklung, gerade bei den Jungen. „Schuld an der Coronakrise sind die Finanzoligarchie, die Politiker und wir: Denn die Globalisierung zugunsten der Oberschicht beruht auf Ausbeutung und Umweltzerstörung“, war jüngst in der „Zeit“ zu lesen. „Es ist nicht das Virus, das die Menschen tötet, sondern der Kapitalismus“, gibt die linke Wochenzeitung „Freitag“ den Sound zur Krise vor. Der Schweizer Publizist Milosz Matuschek schreibt dazu treffsicher: „Die Millennial Socialists sind die Wutbürger im Wartestand, das Produkt von Krisen, aber auch von pädagogischer Verhätschelung und All-inclusive-Mentalität. Nach dem Durchlaufen eines egalitären Bildungssystems sind sie davon überzeugt, dass vor allem sofortige kreative Umverteilung von zukünftiger Wirtschaftsleistung das Problem lösen kann.“ Woran sie in seiner Analyse nicht einmal selbst schuld sein müssen: „Das haben sie auch von ihren Eltern gelernt, welche eher glaubten, die Welt auf ihre Kinder vorbereiten zu müssen als umgekehrt. (. . .) Es sind also genau diejenigen, die ihren eigenen Kindern mit einer gnadenlosen Nonchalance ein Schuldenjoch um den Hals legen und ihnen damit die Zukunft stehlen.“

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