Literatur

Ein Hund kommt in die Küche

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Der Filmemacher Akiz erzählt in seinem Debütroman „Der Hund“ in grellen Bildern die Geschichte eines kulinarischen Genies aus der Gosse.

Mo ist Koch, hat in feinen Restaurants gearbeitet, ist derzeit aber weit unter seinem Wert in einer Döner-Bude beschäftigt. Eines Abends steht ein verwahrloster Bursch in speckiger Bomberjacke vor ihm, den niemand jemals anders nennen wird als „der Hund“: „Eine Sphinx mit kleinen Augen, klein wie Stecknadeln, als ob sich giftiger, blauschwarzer Strom hinter seinen Pupillen angestaut hätte, und lange Haare zankten sich auf seinem Kopf. Sein Gesicht wirkte fiebrig, gierig und triebgesteuert, fast schon pervers, aber irgendwie auch von einer filigranen Statue aus einer anderen Zeit.“

Damit sind gleich auf Seite Eins drei Dinge klar. Erstens: Dieser Mann bedeutet Zores. Zweitens: Der Autor Akiz (dessen bürgerlicher Name Achim Bornhak deutlich weniger street-cred aufweist) wird uns die Geschichte des Hundes mit starken Bildern und ebensolchen Worten um die Ohren klatschen. Drittens: Auch wenn Akiz damit nicht jedermanns (und vor allem nicht jederfraus) Geschmack treffen mag, fällt es dennoch schwer sich dem Sog der Erzählung zu entziehen.

Woher der Hund kommt, weiß niemand. Angeblich wurde er in einer Höhle gefangen gehalten, sah jahrelang kaum Tageslicht, hatte keinen Kontakt, wurde mit Essensresten gefüttert. Er selbst spricht kaum und hat nur Interesse an Lebensmitteln, die er beschnüffelt und ableckt, als würden sie ihm ihre innersten Geheimnisse enthüllen. Und das tun sie auch, denn der Hund ist ein kulinarisches Genie, das kochen kann wie kein zweiter. Das bleibt auch Valentino nicht verborgen, dem ebenso genialen wie abgedrehten Spitzenkoch und Herr des „El Cion“, der den Hund zu sich in die Küche holt. Bald ahnt man, dass dieser Hund dem Koch mehr stehlen wird als nur ein Ei.

Das Thema des Kochs oder der Köchin, die mit Essen ihre Gäste verzaubert und sie ihr wahres Selbst erkennen lässt, ist ein in der Literatur gern verwendetes, oft auf liebevolle oder schöngeistige Art. Nicht so bei Akiz. Hier wird die Kochkunst brachial inszeniert, durchsetzt mit Gewaltassoziationen – gerade richtig für alle, die ihr Fleisch möglichst blutig wollen. Nach der Passage über die illegale Zubereitung von Singvögel, die der Hund aus dem Zoo gestohlen hat, dürfte es allerdings einige Vegetarier mehr unter der Leserschaft geben.

Dieser Aspekt der Unmenschlichkeit kommt nicht von ungefähr, spiegelt er doch die Bedingungen wider, unter denen die Köche in Sterne-Küchen schuften müssen: die beinharten Hierarchien, der Machtkampf, stundenlange Hochdruck-Arbeit ohne Pause. Kaum einer, der das ohne chemische Helferlein und ohne psychischen und physischen Schaden durchhält. Die Küche eines Nobelrestaurants mit ihrer rohen Dynamik ist Welten entfernt vom Speisesaal mit seinen gedämpften Geräuschen und seiner noblen Atmosphäre. Verbunden werden die beiden Sphären durch den Pass, die Luke, durch die die Speisen gereicht werden.

Die Idee zu dem Roman kam Akiz, als er in den 1990er Jahren in Los Angeles lebte. Einer seiner Freunde arbeitete damals in einem Sterne-Restaurant in dem Hollywood-Stars aus und ein gingen. Dass der Autor Filmemacher ist, kann er nicht verleugnen, mit allen Vor- und Nachteilen. Akiz denkt auch bei seinem ersten Roman vor allem in Bildern, Geräuschen und Gerüchen. Das macht seine Schilderungen opulent und plastisch, lässt ihn aber manchmal gierig werden. Womit er auch sprachlich seinem Thema treu bleibt.

Neu Erschienen

Akiz: „Der Hund“, hanserblau, 192 Seiten, 18,50 Euro

(c) hanserblau

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2020)

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