Verbrechen

Fall Maddie: Eltern "dankbar" für Ermittlungen in Deutschland

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Im ungelösten Fall des Verschwindens der dreijährigen Engländerin Maddie McCann 2003 in Portugal ist ein 43-jähriger Deutscher, der in Kiel wegen Vergewaltigung in Haft sitzt, unter Verdacht geraten. Er war zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes und soll ein zweifelhaftes Leben geführt haben.

Die diese Woche erfolgte Einleitung von Mordermittlungen gegen einen Deutschen im Fall der vor 13 Jahren in Portugal verschwundenen, damals knapp vierjährigen Engländerin Madeleine "Maddie" McCann macht den Eltern des Mädchens Hoffnung, die Wahrheit über das Schicksal ihrer Tochter zu erfahren. Kate und Gerry McCann seien "dankbar" für die Ermittlungen, sagte ihr Sprecher Clarence Mitchell am Donnerstag in der BBC.

"Sie haben die Hoffnung, Madeleine lebendig zu finden, trotz des langen Zeitraums nicht aufgegeben", fügte der Sprecher hinzu. Dennoch seien sie "realistisch". Die Eltern wollten endlich die Wahrheit erfahren. Sie bräuchten Gewissheit über das, was mit ihrer Tochter geschehen sei, um den Verantwortlichen vor Gericht zu bringen und "um Frieden zu finden". Die zuständige Staatsanwaltschaft in Braunschweig (Niedersachsen) geht allerdings davon aus, dass Maddie tot ist, wie es am Donnerstag lapidar hieß.

Madeleine McCann (*12. Mai 2003 in Leicester, Mittelengland) war am 3. Mai 2007 kurz vor ihrem vierten Geburtstag aus ihrem Zimmer in einer Ferienanlage im südportugiesischen Badeort Praia da Luz verschwunden, wo sie mit ihrer Familie Ferien machte. Sie wurde bis heute nicht gefunden. Ihre Eltern, beide Ärzte, aßen an jenem Abend mit befreundeten Paaren und einer begleitenden Frau in einem Restaurant der Anlage. Die Kinder der Paare schliefen in ihren jeweiligen Ferienwohnungen, etwa 50 Meter entfernt. Den späteren Aussagen zufolge sah je ein Elternteil abwechselnd jede halbe Stunde nach den Kindern, in einem Fall wurde ein Babyfon eingesetzt.

Der Ort des Verschwindens:

Um 22 Uhr bemerkte Kate McCann ihren Angaben zufolge das Verschwinden von Maddie. Ein Fenster des Appartements, das zuvor geschlossen gewesen sei, sei jetzt unverschlossen gewesen. Mit diesen Angaben informierten sie die portugiesische Polizei, die darauf eine große Suche einleitete, im Zuge derer später sogar Maddies Eltern in Verdacht gerieten: Es ging um Reste beseitigter Blutspuren, die den Verdacht aufkommen ließen, Maddie sei in der Wohnung tödlich verunfallt, oder ihre Eltern hätten sie unabsichtlich getötet und ihre Leiche beseitigt. Die Vorwürfe wurden aber schließlich fallengelassen.

Mehrfach vorbestrafter Sexualtäter

2008 stellte die portugiesische Polizei den Fall ein. Seither gab es immer wieder Spekulationen über Maddies Verbleib. Nach fünf Jahren wurden die Ermittlungen in Portugal wieder aufgenommen. Die britische Polizei nahm ihrerseits 2013 Ermittlungen zu dem Fall auf.

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Das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig Mordermittlungen gegen einen 43-jährigen Deutschen eingeleitet habe. Bei ihm handelt es sich demnach um einen mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter, der derzeit in anderer Sache eine längere Haft verbüßt, diesfalls in Kiel (Schleswig-Holstein). Bereits im Oktober 2013 gab es nach einer Aktenzeichen-XY-Sendung einen Hinweis auf den Mann. Damals hatten Madeleines Eltern Gerry und Kate McCann im deutschen Fernsehen über den Fall gesprochen. Die Informationen hatten allerdings nicht für Ermittlungen gereicht.

Laut BKA lebte der Deutsche zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve, unter anderem für einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. Dort soll er verschiedenen Gelegenheitsjobs nachgegangen sein, etwa in der Gastronomie. Zudem gibt es Hinweise, dass er seinen Lebensunterhalt auch durch Straftaten bestritt, etwa durch Einbrüche und in Hotels und Ferienwohnungen sowie Drogenhandel.

Aggressiv und seltsam

Eine frühere Nachbarin des Mannes in Portugal beschrieb den Verdächtigen als aggressiv und „seltsam": "Er war immer ein bisschen wütend, ist die Straße schnell hoch und runter gefahren und eines Tages, so um 2006, verschwand er ohne ein Wort", berichtete die Frau dem britischen Sender Sky News. Etwa ein halbes Jahr nach seinem Verschwinden sei sie gebeten worden, beim Aufräumen der Unterkunft zu helfen. "Es war eklig", berichtet sie. Überall seien beschädigte Sachen herumgelegen, etwa Computer. In einem Müllsack seien Perücken und seltsame Kleidungsstücke gewesen, möglicherweise für Kostümierungen.

Laut "Braunschweiger Zeitung" ist der Mann 2019 vor dem Landgericht Braunschweig wegen Vergewaltigung einer zur Tatzeit 72-jährigen US-Bürgerin zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Schauplatz der Tat: Praia da Luz. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ist mit den Ermittlungen befasst, weil der 43-Jährige vor seinem Auslandsaufenthalt seinen letzten deutschen Wohnsitz im dortigen Gerichtsbezirk hatte.

Ein Auto des Verdächtigen war unterdessen zur Tatzeit in Bayern gemeldet gewesen. Laut BKA war es ein auffälliger dunkelroter oder auberginefarbenen Jaguar XJR 6, dessen letzte bekannte Zulassung im Mai 2007 in Augsburg gewesen sei. Der Verbleib sei ungeklärt.

In der britischen Presse sorgten die Ermittlungen, noch dazu gegen einen Deutschen, für Wirbel. "Bisher größter Schritt in der Suche nach Madeleine", schrieb etwa der "Daily Telegraph" auf seiner Titelseite. Die "Daily Mail" fragte: "Haben sie den Mann gefunden, der Maddie verschleppt hat?" Auch bei einigen anderen überregionalen britischen Zeitungen lief der Fall Maddie auf der Titelseite.

(APA/AFP/REUTERS/DPA)

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