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Hilfe: Braucht die Wirtschaft einen grünen Neustart?

Klimaschutz ist eines der großen Themen der nächsten Jahre.
Klimaschutz ist eines der großen Themen der nächsten Jahre.(c) Bloomberg (Andrey Rudakov)
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Corona-Konjunkturprogramme müssen fokussiert sein und schnell wirken. Das lässt sich mit „Green Deal“-Zielen nicht immer vereinbaren.

Wir stecken noch mitten in der Phase I des Corona-Katastrophenbegrenzungsprogramms, nämlich im Versuch, die weltweit per Shutdown von ihrer Geschäftsbasis abgeschnittenen Unternehmen mit aberwitzigen Beträgen aus öffentlichen Kassen am Leben zu erhalten. Das funktioniert bisher recht passabel, hat aber ein Ablaufdatum. Irgendwann in den nächsten Monaten muss das Werkel wieder von selbst zu laufen beginnen. Dann treten wir in Phase II ein: den Neustart.

Dieser wird allerdings schwieriger als gedacht. Im Tourismus, im Gastgewerbe und im Handel zeigt sich schon jetzt, dass Konsumenten keine Duracell-Hasen sind, die man auf Knopfdruck ein- und ausschalten kann. Und in der Industrie sehen wir, dass gerissene internationale Liefer- und Wertschöpfungsketten deutlich schwerer zu flicken sind als bisher angenommen wurde. Der Weg wird also steinig. An den berühmten V-förmigen Verlauf der Krise – schneller Aufschwung nach dem Absturz – glaubt offenbar (außer dem Fiskalrat) kaum noch jemand. Der Staat wird den durch die Krise getragenen Unternehmen also noch eine Zeit lang unter die Arme greifen müssen. Und zwar in Form von Konjunkturprogrammen, wie sie viele Länder (darunter Österreich) planen oder (wie Deutschland, siehe Seite eins und zwei) schon beschlossen haben.

Das Problem: Mit den üblichen Beschäftigungsprogrammen, die überwiegend der Bauwirtschaft Impulse geben, wird man jetzt nicht weiterkommen. Dazu ist die Krise zu großflächig und tief. Corona-Konjunkturprogramme müssen fokussiert sein und schnell wirken. Und zwar bei Konsumenten und Unternehmen gleichermaßen.

Die Deutschen versuchen Konsumankurbelung beispielsweise mit einer temporären Senkung der Mehrwertsteuer. Das stärkt die Kaufkraft. In der Theorie. In der Praxis ist erstens unsicher, ob die Steuersenkung von den Unternehmen überhaupt weitergegeben wird. Und zweitens, ob sie die Konsumenten in diesem Fall auch annehmen: In Deutschland hat sich die Sparquote seit Jahresanfang trotz großflächiger Einkommenseinbußen durch Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit auf rund 20 (!) Prozent verdoppelt. Klar: Von Arbeitslosigkeit bedrohte Menschen mit düsterer Zukunftsperspektive sorgen lieber vor, als Shoppingmeilen zu stürmen.

Die Konsumankurbelung kann in einer solchen Situation zumindest zu Beginn nur in den unteren Einkommenskategorien funktionieren. Dort, wo der allergrößte Teil des Einkommens für die Deckung der Grundbedürfnisse ausgegeben werden muss. In diesem Szenario bringt eine allgemeine Steuersenkung nichts als Streuverluste. Da muss schon zielgerichteter vorgegangen werden. Denn Steuernachlässe oder gar Helikoptergeld, die auf Sparkonten landen, helfen der Konjunktur relativ wenig.

Das ist die eine Seite. Auf der anderen, der der Unternehmen, ist die Gefahr der Fehlallokation noch viel größer. Dort stehen jede Menge Lobbygruppen bereit, den erwarteten Geldregen in ihre Kanäle umzuleiten. Mit zum Teil natürlich berechtigten Anliegen. Klimaschutz beispielsweise ist eines der großen Themen der nächsten Jahre und kostet eine Menge Geld.

Aber man muss hier unterscheiden: Im Sommer und Herbst wird es primär darum gehen, die Unternehmen ins Laufen zu bringen. Wenn dabei Öko-Aspekte forciert werden können: sehr gut. Aber man wird aufpassen müssen, dass es nicht kontraproduktiv wird. Industrievertreter befürchten das vor allem beim 750-Milliarden-Paket der EU, das ja definitiv mit „Green Deal“-Elementen verknüpft werden soll.

Das Problem dabei: Europa hat noch einen relativ großen Anteil an energieintensiven Industrien. All diese Chemie-, Papier-, Zement- und Stahlfirmen etc. werden mittelfristig hohe Kosten haben, um steigende Umweltauflagen zu erfüllen. Daran führt kein Weg vorbei. Sie aber kurzfristig mitten in der Krise damit zu belasten oder bei Recovery-Hilfen zu benachteiligen, wird den Wiederaufschwung extrem behindern.

Die „FAZ“ stellte in diesem Zusammenhang neulich die prägnante Frage, was denn nun wichtiger sei: Klimaschutz oder Arbeitsplätze. Kurzfristig, bis zum Wiederanspringen der Wirtschaft, ist die Antwort einfach: Zweiteres. Sonst wird sich Klimaschutz gar nicht finanzieren lassen.

Zumal Klima-Investitionen wegen des starken Einflusses großer Lobbygruppen oft sehr ineffizient sind. Wenn man sich ansieht, wie die Deutschen bei ihrer vermurksten Energiewende mit dreistelligen Milliardenbeträgen nicht viel mehr erreicht haben, als den Strommarkt und das Netz zu destabilisieren, während unterm Strich gleichzeitig die höchsten Strompreise Europas stehen, wird klar: So viel Ineffizienz können wir uns jetzt beim Scherbenaufräumen nicht leisten. Man sollte den Green Deal und die Anschubhilfe für das Wiederanfahren der Wirtschaft daher sauber trennen. Denn wenn Zweiteres nicht gelingt, dann ist auch für Ersteres kein Geld mehr da.

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