Publikumsrat

Der ORF und die divergierenden Meinungen

Am Küniglberg waren in den vergangenen Wochen nur wenige Mitarbeiter.
Am Küniglberg waren in den vergangenen Wochen nur wenige Mitarbeiter.(c) Die Presse (Fabry)
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Dass bei der Berichterstattung des ORF „immer auch mehrere Standpunkte betrachtet“ werden, empfinden viele Zuschauer offenbar nicht so.

Ist die Fernsehwelt nach der Krise so wie die vor der Krise? Für den ORF und die Meinungsvielfalt dort glaubt der bürgerliche Publikumsrat Andreas Kratschmar: ja. Die Ergebnisse einer Studie, die im Herbst durchgeführt wurde, würden die Normalität vor Corona wohl ebenso repräsentieren wie die Normalität nach der Krise. Was in der Zeit dazwischen passierte, war am Donnerstagvormittag bei der Sitzung des ORF-Publikumsrats übrigens auch Thema und wurde - naturgemäß - unterschiedlich bewertet. Von breitem Lob über die seriöse Information bis zur Kritik an regierungstreuer Berichterstattung, die zu wenig hinterfragte. Publikumsrat Georg Watschinger etwa wählte den Begriff „Angstberichterstattung“.

Aber zurück zur Studie: Was besagt sie? Dass es bei den Punkten Objektivität und Meinungsvielfalt beim ORF „Handlungsbedarf“ gibt, wie Kratschmar, der die Ergebnisse präsentierte, sagte. Zentral ist für ihn etwa die Frage nach der Zustimmung zu folgender Aussage: "Die Berichterstattung erfolgt nicht nur aus einem Blickwinkel. Es werden immer auch mehrere Standpunkte betrachtet.“ Bei der Sora-Befragung gaben nur 19 Prozent an, dass sie sehr zutrifft. Für 24 Prozent trifft sie  immerhin eher zu. Dabei ist genau das für 49 Prozent der 1219 Befragten sehr wichtig, für 32 Prozent eher wichtig.

Doch wie kann man sich hier behelfen? Knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) wollen für mehr Meinungsvielfalt mehr Straßeninterviews und Gespräche mit Menschen aus der Bevölkerung.  34 Prozent wollen mehr Interviews mit Experten. 31 Prozent wünschen sich mehr Präsentationen von Meinungsumfragen. Gefragt wurde auch, wie die Objektivität der Informationen beurteilt wird. „Die Berichterstattung ist objektiv und sachlich“ trifft nach Ansicht von einem Viertel der Befragten „sehr“ zu, für 35 Prozent „eher“. Die Mehrheit scheint also relativ zufrieden. Der ORF liegt bei diesen Punkten deutlich vor dem Schnitt der übrigen Medien.

Wrabetz zu ORF 1: "nicht die Flinte ins Korn werfen"

Zurück zur Coronakrise: Der Publikumsrat verabschiedete am Donnerstag eine Empfehlung, in der er den ORF für die „fundierte und seriöse Information“ in der Zeit der Krise lobte. Das Gremium spricht sich darin unter anderem für den Ausbau der Wissenschaftsberichterstattung aus, die sich besonders bewährt habe. Generaldirektor Alexander Wrabetz ließ im Rahmen der Sitzung die vergangenen Wochen Revue passieren. Rund 340 Fernseh- und ebenso viele Radiosondersendungen des ORF seien im Zeichen der Coronakrise gestanden. Allein im TV seien rund sieben Millionen Menschen erreicht worden. Die Durchschaltung der "Zeit im Bild 1" soll vorerst noch bis Ende Juni fortgeführt werden, kündigte Wrabetz an. Der Start des Sportscreens des ORF-Players wurde aufgrund der Coronakrise auf kommendes Jahr verschoben.

In Bezug auf ORF 1, wo einige Formate vor der Krise nicht gut angekommen waren,  will Wrabetz "nicht die Flinte ins Korn werfen", sondern "viel Druck entfalten, dass die Dinge sich bessern". Golli Marboe, Neos-Vertreter im Publikumsrat, hatte zuvor dafür plädiert, ORF 1 als einen mehrsprachigen mitteleuropäischen Sender neu zu gründen, ein Vorschlag, den Wrabetz "weder für realisierbar noch für sinnvoll" hält.

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