Umweltmedizin

Die Entmystifizierung des Waldes

Die moderne Waldforschung liefert Erklärungen dafür, warum der Wald für viele ein Sehnsuchtsort ist.
Die moderne Waldforschung liefert Erklärungen dafür, warum der Wald für viele ein Sehnsuchtsort ist.(c) REUTERS (Juan Carlos Ulate)
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Vom Göttersitz zum mittelalterlichen Angstort, vom Ressourcenlieferanten zur Seelenlandschaft – der Wald kennt viele Zuschreibungen. In einem EU-Projekt wird nun erforscht, ob er auch zur Gesundheitsvorsorge taugt.

Der Boden federt bei jedem Schritt, die Luft riecht würzig, und das sanft schimmernde Licht weist uns von Vogelgezwitscher begleitet den Weg. Der Wald ist Sehnsuchtsort. Das war nicht immer so. Einst von den Germanen als Sitz der Götter verehrt, veränderte sich der Blick auf den Wald durch die Christianisierung. Fortan galt die wilde Natur als dämonisch und gefährlich. Es waren schließlich die deutschen Romantiker, die im 19. Jahrhundert Seelenlandschaften erschufen und ein ganz neues Waldgefühl prägten. Erst später eroberten Ausflügler und Sportler diesen Naturraum.

Vermessene Sehnsucht

In den vergangenen Jahren erreichte schließlich das ostasiatische Konzept Shinrin-yoku Europa: das Waldbaden. In Japan und Korea ist das Ein- und Abtauchen zwischen den Bäumen ein wichtiges Element der Gesundheitsvorsorge. Hierzulande haben Einladungen zum Waldbaden aber oft den Beigeschmack einer touristischen Marketingkampagne. Was ist also dran an der heilsamen Wirkung des Waldes?

Fest steht, dass Waldluft um 90 Prozent weniger Feinstaub als Stadtluft enthält. Untersuchungen weisen zudem auf positive gesundheitliche Effekte der chemischen (Terpene) als auch der optischen Reize im Wald hin. „Wir sind seit vielen Jahren damit beschäftigt, hier endlich eine Evidenz zu schaffen, was schwierig ist, weil jeder Wald ein Unikat ist“, sagt die Umweltmedizinerin und Feinstaubexpertin Daniela Haluza von der Med-Uni Wien. Auch deshalb könnten Studien zum Waldbaden aus dem klimatisch teilweise subtropischen Japan, das zu zwei Dritteln von Bergwäldern bedeckt ist, nicht einfach auf Mitteleuropa umgemünzt werden. Hinzu kommen länderspezifische – rechtliche und soziokulturelle – Voraussetzungen für die Erholung im Wald.

Hier setzt das EU-Projekt „Dr. Forest“ an. Zwölf europäische Partner, darunter – gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF – die Wiener Med-Uni und Boku, gehen in einer dreijährigen Studie der Frage nach, ob es beim Spaziergang durch den Wald eine Rolle spielt, wie artenreich dieser ist. „Wir wollen herausfinden, ob die gesundheitsfördernde Wirkung in einem artenreichen Mischwald höher als in einer Fichtenmonokultur ist“, so Haluza, die für die medizinische Komponente im Projekt verantwortlich ist.

Welche konkreten Qualitäten ein Wald haben muss, in dem Menschen maximale Erholung finden, eruierte Haluza kürzlich mit einer Wiener Forschungsgruppe am Beispiel des oberösterreichischen Hallerwaldes (International Journal of Environmental Research and Public Health, 2020/17). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik und der Med-Uni in Wien schickten dazu hundert Menschen auf eine zweieinhalbstündige Tour durch den Wald und überprüften Veränderungen des Gemüts, von Stress und Achtsamkeit sowie des Gefühls der Verbundenheit mit der Natur. Es zeigte sich, dass lichtdurchflutete Areale mit Farnbewuchs oder bemoosten Steinen für besondere Entspannung sorgten. Potenziert wurde diese Wirkung durch Wasser, etwa einen Bach.

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