Leitartikel

Wie Sankt Brexit über den Brüsseler Beelzebub obsiegte

(c) Bloomberg (Chris Ratcliffe)
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Die Abwicklung der EU-Mitgliedschaft durch die britischen Konservativen hat wenig mit Konservatismus zu tun – und viel mit quasireligiösem Eifer.

Der Glaube kann nicht nur Berge versetzen, sondern auch die Welt umsegeln – diese Überzeugung scheint sich jedenfalls im Hauptquartier der Londoner Traditionszeitung „Daily Telegraph“ durchgesetzt zu haben. Seit dem Brexit-Referendum im Sommer 2016 ruft das konservative Blatt die britische Öffentlichkeit dazu auf, 100 Millionen Pfund zusammenzuklauben, um Königin Elizabeth ein neues Schiff zu spendieren. In Zeiten von Seuche und Rezession müsse die Royal Yacht Britannia umso dringlicher vom Stapel laufen, um die Moral der königlichen Untertanen zu heben und Britanniens Präsenz auf allen Weltmeeren zu zeigen, lautet das jüngste Argument der Befürworter dieser Idee – die man, sofern man über ein ausreichend tolerantes Gemüt verfügt, als frivol bezeichnen könnte. Eine weniger verständnisvolle Person würde angesichts von 40.000 Corona-Toten, grassierender Arbeitslosigkeit und scharlachroten Budgetzahlen vermutlich ein anderes Adjektiv wählen.

In einer längst untergegangenen, weit zurückliegenden Ära – also vor ungefähr fünf Jahren – hat Großbritannien als Heimat des modernen Konservatismus gegolten. Weltoffen, aber um die Bewahrung des Bewährten bemüht; liberal, aber den Traditionen verpflichtet; skeptisch gegenüber Heilsversprechen, aber fähig zu mutigen Reformen; pragmatisch und prinzipientreu zugleich – dieser gute Ruf eilte den seit 2010 regierenden Tories voraus. Und diesen guten Ruf haben die letzten drei Tory-Premierminister, David Cameron, Theresa May und Boris Johnson, gründlich verspielt.

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