Arbeitsmarkt

Bekommen Arbeitslose bald mehr?

Die Coronakrise befeuert die Debatte über ein höheres Arbeitslosengeld.
Die Coronakrise befeuert die Debatte über ein höheres Arbeitslosengeld. APA/GEORG HOCHMUTH
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Die SPÖ fordert seit längerem ein höheres Arbeitslosengeld, auch die Grünen können sich das vorstellen. Beispiele aus Europa gibt es zur Genüge.

Wien. Es ist eine Debatte, die die SPÖ schon seit längerem anstoßen will. Und die nun an Fahrt gewinnt, seit Sozialminister Rudolf Anschober von den Grünen das Thema am Samstag in einem Radio-Interview aufgegriffen hat: Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. Doch für eine Umsetzung braucht es zunächst den Willen des Koalitionspartners, der ÖVP. Diese hatte sich bisher gegen einen solchen Schritt ausgesprochen. Gegenüber der „Presse am Sonntag“ hieß es aus dem Arbeitsministerium von Christine Aschbacher dann aber: „Wir sind in Gesprächen und prüfen verschiedene Optionen.“ Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass es eine Abfederung für die Betroffenen geben soll. Offen sei jedoch noch, ob diese über eine längerfristige Erhöhung des Arbeitslosengeldes oder über eine Einmalzahlung erfolgen wird. Auch die FPÖ mischte sich am Wochenende in Form von Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in die Debatte ein und fragte, warum die Koalition am 27. Mai einen Antrag auf Erhöhung des Arbeitslosengeldes vertagt hätte.

Höher, dafür kürzer

Derzeit bekommen Arbeitslose in Österreich 55 Prozent vom letzten Nettolohn, die Sozialdemokraten fordern eine Anhebung auf 70 Prozent. Ein Vorschlag, der nicht unrealistisch erscheint, zumal andere Staaten in Europa ihren Bürgern zu Beginn der Arbeitslosigkeit deutlich mehr auszahlen als Österreich. In Schweden beispielsweise macht die Nettoersatzrate 70 Prozent aus, in Dänemark liegt sie darüber. Dafür sinkt dort die Arbeitslosenunterstützung mit zunehmender Bezugsdauer.

In Österreich hingegen bleiben die Leistungen über die Jahre auf einem konstanten Niveau. Denn sobald die Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld ausgeschöpft ist, greift die Notstandshilfe „die acht Prozent unter der zuvor gezahlten Arbeitslosenunterstützung liegt“, schreibt der Liberale Think Tank Agenda Austria in einer Studie. Die Notstandshilfe wird für ein Jahr gewährt, kann jedoch unbegrenzt verlängert werden.

In der ökonomische Literatur, so argumentiert die Agenda Austria, herrsche aber Einigkeit darüber, „dass die Großzügigkeit eines Arbeitslosenversicherungssystems zu längerer Arbeitslosendauer führt“. Die Studienautoren sprechen sich deshalb dafür dafür aus, den Betroffenen „für eine ausreichend lange Zeit ein angemessenes Arbeitslosengeld auszuzahlen.“ Mit der Zeit solle dieses stufenweise reduziert werden.

Arbeitslosigkeit bleibt hoch

Arbeitslose müssten dann nicht das erstbeste Job-Angebot annehmen, sondern hätten die Möglichkeit nach einem besser bezahlten Job zu suchen, der eher ihrer Qualifikation entspricht. Vor diesem Hintergrund hat sich in der Vergangenheit auch Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS), für ein höheres Arbeitslosengeld ausgesprochen. Unter der Bedingung, dass dieses nach drei Monaten abgesenkt wird.

Die Coronakrise befeuert nun die Debatte über ein höheres Arbeitslosengeld. Denn sie hat die Arbeitslosenzahlen in Österreich nach oben schnellen lassen, 1,3 Millionen Arbeitnehmer befinden sich außerdem in Kurzarbeit. Ende Mai waren mehr als 517.000 Personen arbeitslos, das sind um 174.000 mehr als im Vorjahresmonat. Die Arbeitslosenquote kletterte somit auf 11,5 Prozent, die Oesterreichische Nationalbank prognostiziert für das laufende Jahr einen Wert von 9,9 Prozent.

AMS-Vorstand Herbert Buchinger erwartet den Höhepunkt der Arbeitslosigkeit allerdings erst im Jänner des kommenden Jahres. Denn da wird die Rezession auf die ohnehin hohe Winterarbeitslosigkeit treffen. Experten sind sich zudem sicher, dass die Zahl der Arbeitslosen nach dieser Krise höher sein wird, als davor. Ein Phänomen, welches sich schon in der Vergangenheit beobachten ließ.

OeNB-Daten zufolge dürfte die heimische Wirtschaft heuer um 7,2 Prozent einbrechen. Das real verfügbare Haushaltseinkommen wird 2020 und 2021 um jeweils 0,4 Prozent sinken. (nst)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2020)

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