Bristol

Die Sklavenhändler-Statue flog ins Wasser: Protest oder Vandalismus?

Hier stand die Statue von Edward Colston in Bristol, bevor sie am Wochenende schließlich im Hafenbecken landete.
Hier stand die Statue von Edward Colston in Bristol, bevor sie am Wochenende schließlich im Hafenbecken landete.REUTERS
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Bei einer Demonstration im britischen Bristol wurde die Statue von Edward Colston vom Sockel gerissen. "Welche ist die nächste?", fragt Formel-Eins-Star Lewis Hamilton und ruft zu ähnlichen Aktionen auf.

Edward Colston lebte im 17. Jahrhundert. Der in eine wohlhabende Familie hineingeborene Händler arbeitete für die Königlisch-Afrikanische Gesellschaft. Was nach Charity oder Kontaktaufbau klingt, war damals nichts anderes als Sklavenhandel. Rund 5000 Menschen soll Colston in seinem Leben versklavt haben. Durch Spenden an Schulen und Krankenhäuser erwarb er sich später aber den Ruf eines Philantropen - so wurde er als Statue auch in der britischen Stadt Bristol verewigt.

Für viele Menschen ein Affront. Bei Anti-Rassismus-Protesten haben Demonstranten am Sonntag die Statue des britischen Sklavenhändlers von einem Sockel geholt und ins Hafenbecken geworfen. Wie die Videoaufnahme eines Augenzeugen zeigt, zogen Menschen eine Schlinge um den Hals der Statue Colston und brachten sie zu Fall. Unter Jubelschreien versenkten sie die Bronzestatue im Hafen im Fluss Avon.

Die Polizei in der Stadt im Südwesten Englands kündigte Ermittlungen an. An der friedlichen Demonstration hatten nach Angaben des lokalen Polizeichefs etwa 10.000 Menschen teilgenommen, einige Dutzend knöpften sich dann am Rande die Bronzestatue vor.

„Zeuge von Geschichte"

"Heute bin ich Zeuge von Geschichte", schrieb William Want, der das Video veröffentlichte, im Kurzbotschaftendienst Twitter unter dem Hashtag Black Lives Matter. Die Demonstranten gingen gegen Rassismus und Polizeigewalt auf die Straße, um sich mit den Protesten in den USA nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd zu solidarisieren. Der 46-Jährige war am 25. Mai in Minneapolis gestorben, nachdem ein weißer Polizist ihm minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt hatte.

Die britische Innenministerin Priti Patel nannte das Vorgehen der Demonstranten in Bristol "zutiefst schändlich". Patel sagte im Sender Sky News: "Das ist ein völlig inakzeptabler Akt und spricht erneut für den Vandalismus, wie wir ihn gestern in London gesehen haben." Die Polizei in der britischen Hauptstadt hatte am Samstag nach einer weitgehend friedlichen Demonstration mit tausenden Teilnehmern 29 Menschen festgenommen - nach Zusammenstößen mit Polizisten im abgesperrten Regierungsviertel.

Der Bürgermeister von Bristol, Marvin Rees, erklärte, die 1895 errichtete Statue habe seit Jahren für Kontroversen gesorgt. Es sei wichtig, denjenigen zuzuhören, für die sie ein Affront gewesen sei.

Clive Lewis, Abgeordneter der oppositionellen Labour-Partei, begrüßte die Entfernung der Statue auf Twitter. "Jemand, der für unermessliches Blut und Leid verantwortlich ist. Wir werden den strukturellen Rassismus nie lösen, solange wir unsere Geschichte in ihrer ganzen Komplexität nicht in den Griff bekommen."

Hamilton: „Welche ist die nächste?"

Und auch einer der prominentesten Briten steht auf der Seite der Demonstranten. Formel-1-Superstar Lewis Hamilton ruft sogar zum Sturz von weiteren Denkmälern auf. Der Weltmeister forderte von Regierungen in aller Welt, Statuen zu entfernen, die als rassistische Symbole begriffen werden können. Dazu postete der britische Rennfahrer bei Instagram ein Foto der Anti-Rassismus-Demonstration in Bristol.

"Unser Land hat einen Mann geehrt, der afrikanische Sklaven verkauft hat! Alle Statuen von rassistischen Männern, die Geld mit dem Verkauf eines Menschen verdient haben, sollten abgerissen werden", schrieb Hamilton dazu. "Welche ist die nächste?", fragte Hamilton.

Der Mercedes-Pilot hatte sich zuletzt mit emotionalen Aufrufen in die Debatte nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd eingeschaltet. So hatte er das Schweigen in der Formel 1 zu den Anti-Rassismus-Protesten kritisiert und den Motorsport als "von Weißen dominiert" bezeichnet. Mehrere Formel-1-Kollegen und Teams solidarisierten sich daraufhin mit Hamilton und der "Black-Lives-Matter"-Bewegung.

Zudem hatte Hamilton schon zuvor die politischen Spitzen zum Handeln gegen Rassismus aufgerufen. "Es kann keinen Frieden geben, bis die sogenannten Führer es ändern", schrieb der 35-Jährige in der Vorwoche.

(APA/dpa/AFP)

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