Fahrbericht

Mercedes GLB: Ehrenrettung für das SUV

Von freundlichem Ausdruck und mit sichtbar viel Raum zwischen denAchsen: Mercedes GLB, hier mit Frontantrieb und 150 Diesel-PS.
Von freundlichem Ausdruck und mit sichtbar viel Raum zwischen denAchsen: Mercedes GLB, hier mit Frontantrieb und 150 Diesel-PS.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Ein sinnvolles Format, wenn die Parameter stimmen – wie beim Mercedes GLB.

Wien. Mit einem hauseigenen Dieselskandal bei Daimler hat Walross-Schnauzbart, Dieter Zetsche, seinem Nachfolger, Ola Källenius, eine Baugrube hinterlassen, in der gerade viel Geld versenkt wird.

Doch der neue CEO kann auf zwei solide Säulen bauen, die unter Zetsche errichtet wurden: der frühe Fokus auf SUVs und eine kompakte Frontantriebsplattform, auf der heute, von der A-Klasse ausgehend, nicht weniger als acht verschiedene Baureihen basieren. Eine lukrative Kombination aus Marge und Masse: Jedes dritte abgesetzte Modell bei Daimler ist ein SUV, jedes vierte ein kompaktes.

Jüngstes und zugleich größtes Produkt dieser Schnittmenge ist der GLB. Er demonstriert die Flexibilität der Plattform, mit einem Radstand – also dem Abstand zwischen Vorder- und Hinterachse, Hauptindikator für den Platz an Bord – nahe am GLC, der eine ganze Klasse höher rangiert, und zehn Zentimeter über GLA und B-Klasse, auch das fast wieder eine Fahrzeugklasse. Gleich breit sind dagegen alle Kompakten des Hauses. Es geht sich sogar die Option einer dritten Sitzreihe aus, was den GLB zum Siebensitzer macht. Kann man da hinten vernünftig sitzen? Kinder können es, Mercedes nennt 1,68 Meter als Obergrenze; vor allem kraxeln sie leichter dorthin.

Großer Stern

Die meisten Interessierten freilich werden vor allem ein ansprechend gezeichnetes, sehr geräumiges SUV mit einem großen Stern am Kühlergrill sehen. Die Gattung polarisiert zuweilen ja, und man muss Mercedes loben für diesen gestalterischen Spagat: Der GLB entbietet der Netzhaut alle optischen Reize, die SUVs dieser Tage zu Bestsellern machen, zumal nicht als Crossover, sondern als aufrechter Geländewagen-Typ inszeniert, ohne dabei auftrumpfend oder einschüchternd zu wirken – man denke an die gefletschten Zähne der BMW-Niere. Mit Kulleraugen statt stechendem Falkenblick schaut er in die Welt.

Der GLB auf Mercedes A-Chassis-Basis
Der GLB auf Mercedes A-Chassis-BasisDie Presse/Clemens Fabry

Es sind Familien, die Mercedes im Fokus hat. Denn noch etwas signalisiert der GLB: Erreichbarkeit. Für einen Mercedes dieser Imposanz und Größe braucht man kein Riechsalz beim Studieren der Preisliste. Das mag auch am Ort seiner Fertigung liegen, in Mexiko.

Jedenfalls gilt dies, wenn man sich in der Konfiguration aufs wirklich Notwendige beschränkt: Frontantrieb und 150-PS-Diesel (Allrad ist als Hang-on-System mit Durchtrieb zur Hinterachse verfügbar, treibt aber auch den Preis). Die Einstiegsvariante mit 116 PS (Zweiliter-Vierzylinder sind alle Diesel) sehen wir nicht wirklich. Der 200d ist die richtige Wahl, zumal die serienmäßige Achtgang-Automatik per Doppelkupplung souverän zwischen Punch und Genügsamkeit vermittelt.

Wer mit dem Getriebewahlhebel von Mercedes nicht vertraut ist: Der sitzt als Satellit an der Lenksäule, dem besten aller Orte, für die Fingerspitzen vom Lenkrad aus blind erreichbar, ein nicht zu unterschätzender Komfortgewinn im Alltag. Setzt man sich danach in ein anderes Auto, ist Frust die Folge – wenn man statt dem Rückwärtsgang unbeabsichtigt den Scheibenwischer aktiviert.

Im Zusammenspiel von Antrieb und Fahrwerk ist der GLB hervorragend komponiert. Zu keinem Poltern, zu keiner Ruppigkeit ist die Hinterachse zu provozieren – sonst gern eine Schwachstelle im aufgebockten Format –, und die Geräuschdämmung ist exzellent.

Geschmeidigkeit lautet das Programm, dem entspricht der kokonartige Innenraum mit durchaus schmeichelnder Materialgüte und einigen interessanten Design-Statements, etwa den Ausströmern der Bordbelüftung: Skulptürchen mit Funktion.

Die Luftauslässe - Eine Verbindung in eine andere Galaxie?
Die Luftauslässe - Eine Verbindung in eine andere Galaxie?Die Presse/Clemens Fabry

Handfestere Vorteile hat die 40:20:40-umlegbare Lehne der zweiten Sitzreihe, die um 14 Zentimeter verschiebbar ist und damit den Laderaum moduliert, und der umklappbare Fahrersitz für Ausflüge zum Möbelhaus. Dem Eindruck von Luftigkeit an Bord ist neben der großen Kopffreiheit auch die steil stehende Windschutzscheibe zuträglich – eine erfrischende Abkehr vom geduckten Crossover-Zuschnitt.

Mercedes-Benz GLB 200d

Maße L/B/H 4634/1834/1659 mm. Radstand 2829 mm. Leergewicht 1680 kg. Ladevolumen 565-1800 Liter.

Motor R4-Zylinder-Turbodiesel, 1950 ccm. Leistung max. 110 kW (150 PS) bei 3400-4400/min. Max. 320 Nm bei 1400-3200/min. Vorderradantrieb,

Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe.

0-100 km/h in 9,0 sec, Vmax 204 km/h.

Testverbrauch 6,8 l/100 km.

Preis ab 42.490 Euro.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2020)

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