Potzblitz

Was der Taycan kann (und Tesla nicht)

Zwei Elektriker: Procter, Jahrgang 1902, Amerikaner, trifft Porsche Taycan, frisch aus Zuffenhausen.
Zwei Elektriker: Procter, Jahrgang 1902, Amerikaner, trifft Porsche Taycan, frisch aus Zuffenhausen.(c) Juergen Skarwan
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Auch Porsche kann das Elektroauto nicht neu erfinden. Nur dass man's dann doch getan hat.

Klimaschutz war im Jahr 1902 noch kein so heißes Thema.Elektroautos gab's trotzdem, hauptsächlich, weil sie bequemer in der Handhabung waren als die störrischen Benziner oder erst recht Dampfautos, die man vor der Fahrt eine Stunde vorheizen musste. Der junge Ferdinand Porsche konstruierte um die Jahrhundertwende für den Wiener Kutschenbauer Lohner ein Elektroauto und nannte es Semper Vivus – „stets lebendig“, weil man sich die Startprozedur des Verbrennungsmotors sparen konnte: Stromkreis schließen und los geht's.

Elektroautos fanden in den USA die größte Verbreitung, zeitweise fuhr dort fast jedes zweite Auto mit Strom (Oma Duck hat ihr Schöpfer in einen Detroit Electric gesetzt, Ladies schätzten den Komfort am meisten). Ein gewisser Albert Procter aus Massachusetts fand sich dennoch kein passendes Vehikel, so baute er selber eins. Mehr als ein Jahrhundert später gelangte sein Auto in die Hände von Christian Bauer, Wiener und in der Szene hoch angesehener Spezialist für historische Karosserien. Behutsam restaurierte er den Procter und stattete ihn mit E-Motor und Akku aus. Denn diese Komponenten hatte Mr. Procter nach ein paar Jahren durch einen Verbrennungsmotor ersetzt. Der machte die größeren Fortschritte. Aus ähnlichen Gründen wandte sich auch Ferdinand Porsche von der Technik ab, davor hatte er freilich noch den Hybridantrieb erfunden, um das lästige Reichweitenproblem zu lindern. Im Großen und Ganzen blieb er den Rest seines Lebens bei den Verbrennern, und auch die Sportwagenfirma seines Sohns Ferry gründete auf Motoren mit Auspuff.

»Das erste Elektroauto, das auch Petrolheads den Kopf verdrehen kann.«

Hat Porsche nun, 120 Jahre nach Urahn Ferdinands elektrischen Ausritten in Wien und ein gutes Jahrzehnt nach dem ersten Tesla aus Kalifornien, das bessere Elektroauto gebaut? Denn dies war die „Mission E“, der Name der 2015 gezeigten Designstudie, aus der schließlich der Taycan entstand: Nicht die Welt retten, sondern die Hierarchie im Autouniversum rasch geradebiegen. Überlegene Reichweite gehört dabei nicht zu den Assets des Porsche. Bei der Ausrichtung der Akkus legte man den Fokus auf schnelles Laden und Entladen, für die heikle Zellchemie die strapaziöseste Übung. Genau darauf ist das junge kroatische Elektro-Start-up Rimac spezialisiert; Porsche nutzte die Expertise, indem man bei dem Unternehmen gleich einstieg. Dass Elektroautos gewaltig beschleunigen können, ist bekannt, doch weil es bei diesen schnellen Entladungsvorgängen auch bedrohlich heiß wird in den Zellen, wird der Spaß bald eingebremst, bevor es zu Schäden kommt. Auf dem Gebiet ist der Taycan allen Teslas, die bislang vom Stapel liefen, überlegen, was für ein paar Runden auf der Rennstrecke taugen soll, reicht jedenfalls locker aus, um sich auf einer Landstraße im Warp-Modus schwindlig zu fahren. Dafür ist eine maximale Reichweite bei 100 Prozent Ladestand in Kauf zu nehmen, die bei unseren Testfahrten 388 km nie überstieg.

»Lenkpräzision und Bremsleistung: nach Art des Hauses.«

Ein weiterer Kompromiss ist zu machen: Leichte Elektroautos wurden bislang nicht erfunden. Die Fahrzeugwaage zeigte 2470 kg (mit Fahrer gemäß EU-Norm), nicht überraschend angesichts der Akku-Ausstattung und einem E-Motor auf jeder Achse, der hintere an ein Zweiganggetriebe gekoppelt, das den Spurt auf über 250 km/h zur leichten Übung macht, wie wir pflichtschuldig überprüften. Es gibt auch Teslas, die das können, aber ihrer Wesensart entspricht es nicht, auch nicht die sportliche Gangart auf kurviger Straße – jenem Terrain, auf dem der Porsche seine Überlegenheit ausspielt. Das Marken-typische Feeling am Lenkrad spürt man auf den ersten Kilometern, aber was sich im geeigneten Geläuf erst entfachen lässt, das gibt es bislang nirgendwo anders. Trotz seines Gewichts fühlt sich der Taycan nie schwer oder gar plump an, im Gegenteil entbietet er Lenkpräzision und fast unerschöpfliche Bremsleistung, die sich punktgenau dosieren lässt, in bester Tradition des Hauses, dies bei unerbittlichem Griff in den Asphalt, mit einer Traktion, wie sie mechanische Allradsysteme niemals erreichen können, und natürlich unter dem Druck von bis zu über 1000 Newtonmeter Drehmoment und weit über 700 PS, die sich im „Overboost“ abrufen lassen. Ob man das noch mit „Electric Sound“ untermalen möchte, bleibt Geschmackssache, speziell das Äquivalent zum Runterschalten klingt aber ganz kurios. Verarbeitung, Materialgüte, Geräuschdämmung – konkurrenzlos im Fach. Der Taycan ist vielleicht kein besseres Elektroauto als ein Tesla, aber er ist der erste Porsche unter den Stromern. Kein bloß würdiger – ein mitreißender Einstand.

(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Selbst ist der Elektromobilist

Der elektrische Eigenbau aus Massachusetts bekam in Österreich ein neues Leben, komplett original bis auf neuen Akku und E-Motor.

Name: ................... Procter

Baujahr: ............... 1902

Motor: ................... Elektro 

Leistung: ............. 6 PS

Akku: ..................... Blei (Original), heute Li-Io

Gewicht: ................ 660 kg

0–100 km/h:.......... dafür reicht die Zeit nicht

Vmax:..................... 30 km/h

Reichweite:            60 Kilometer

(c) Juergen Skarwan

Elektroauto mit Turbo

Der Taycan ist Porsches würdige und warpschnelle Antwort auf freche Teslas – mit Bremsen,Lenkung und Fahrwerk nach Art des Hauses.

Name: ................... Porsche Taycan Turbo S

Preis: ..................... 189.702 Euro

Motor: ................... 2x Permanenterregt-Synchron

Leistung: ............. 625 PS (im „Overboost“: 761 PS)

Akku: ..................... Lithium-Ionen, 93,4 kWh

Gewicht:................ 2470 kg (EU)

0–100 km/h:.......... in 2,8 Sekunden

Vmax:..................... 260 km/h

Reichweite:            ca. 390 Kilometer

("Die Presse - Fahrstil", Print-Ausgabe,13.06.2020)

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