Landeshauptstädte

Stadtentwicklung: Seequartier und Rauchmühle

(c) campagne reichenau
  • Drucken

Ehemalige Gewerbe- und Nutzflächen verwandeln sich in schicke Wohnanlagen – ein Konzept, mit dem die Bundesländer das Bevölkerungswachstum auffangen wollen. Einige der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte.

Die Seestadt für 20.000 Menschen auf dem früheren Flugfeld Aspern, das Sonnwendviertel auf dem Areal des einstigen Frachtenbahnhofs, das Althan-Quartier rund um den Franz-Josefs-Bahnhof – diese und zahlreiche weitere Projekte sorgen für stete Veränderungen im Wiener Stadtbild. Aber auch anderswo wird mit hohem Aufwand gebaut und modernisiert.

Alte Substanz erhalten

Die Schaffung von Wohnraum ist dabei ein Gebot der Stunde – neben Wien nirgendwo so sehr wie in Graz, der prozentuell am stärksten wachsenden Stadt Österreichs, was die Einwohnerzahl betrifft. Daher wird in der Mur-Metropole derzeit eines der bundesweit größten zentrumsnahen Stadtentwicklungsprojekte umgesetzt: Schritt für Schritt wird auf einstiger Industriebrache westlich des Bahnhofs im neuen Stadtteil Reininghaus sowie in der angrenzenden Smart City Lebensraum für rund 15.000 Menschen geschaffen.

Die ersten Wohnungen, Schulen, Parks und das Leitprojekt „Science Tower“ stehen bereits. Demnächst wird mit der Bebauung jenes Bereichs begonnen, der künftig dank der höchsten Wolkenkratzer von Graz die Skyline definieren wird. Mit einem begleitenden Mobilitätskonzept, das eine großzügige Erweiterung des Straßenbahnnetzes einschließt, sowie einer Reihe energieeffizienter Maßnahmen in den neuen Vierteln – etwa der Nutzung von Industrieabwärme –, mit Fassadenbegrünungen und der Umsetzung des „Prinzips der kurzen Wege“ will sich Graz bis 2050 als Zero-Emission-City positionieren.

Was dieses Projekt mit Stadtentwicklungsvorhaben in Salzburg und Klagenfurt gemeinsam hat, ist, dass die historische Altsubstanz der früheren Gewerbeareale teilweise bestehen bleibt und mit neuer Funktionalität – etwa als Kulturort oder Wirkungsstätte für die Kreativszene – in die moderne Architektur eingegliedert wird. In Salzburg ist es die aufs 13. Jahrhundert zurückgehende „Rauchmühle“ auf der Insel zwischen Glanbach und Maxglaner Mühlbach. Um dieses namensgebende Gebäude herum sollen sich bald acht neue Komplexe mit mehr als 200 Wohnungen sowie Handelsflächen gruppieren, kündigt Stefan Tschandl vom Salzburger Stadtmarketing an. In Klagenfurt wiederum haucht man einer seit rund 30 Jahren stillgelegten Lederfabrik neues Leben ein. Nach dem Aushub von altstoffbelastetem Boden werden „auf der Walk“ sowie im Parallelprojekt „hi Habach“, bei dem mehrere gemeinnützige Bauträger mit an Bord sind, insgesamt knapp 1400 Wohnungen entstehen. Der Baustart soll laut Stadtplanungsleiter Robert Piechl im kommenden Jahr erfolgen.

Wohnen statt parken

In Bregenz strukturiert man die City um den Bahnhof neu, die seit Jahren als Parkplatz genutzte Fläche in Seelage soll bebaut werden. Die politische Weichenstellung für den Ausbau des Bahnhofs – inklusive eines Holz-Glas-Vordachs, das die Eingangshalle mit dem Busterminal und einer Bike-&-Ride-Station verbindet – sowie die Festlegung der künftigen Verkehrsführung leiteten vor wenigen Wochen den Startschuss zur Detailkonzeption der angrenzenden Viertel ein, deren Entwicklung in der Hand privater Investoren liegt. Das „Seequartier“ und die „Seestadt“, an der seit mehr als zehn Jahren getüftelt wird, sollen nun endgültig urbanes Flair in die Festspielstadt am Bodensee bringen und auf 30.000 Quadratmetern Wohnungen, Geschäftsflächen, ein Hotel und vieles mehr beherbergen. Der Bahnhof selbst wird um rund 77 Millionen Euro auf ein geschätztes Fahrgastaufkommen von rund 20.000 Menschen täglich ausgerichtet. Franz Hammerschmid, Geschäftsbereichsleiter der ÖBB Infrastruktur AG, rechnet mit einer Fertigstellung in fünf Jahren.
In der „Campagne Reichenau“, wo die stadteigene Innsbrucker Immobilien GmbH (IIG) in den nächsten Jahren mit der Wohnbaugenossenschaft Neue Heimat Tirol etappenweise rund 1100 dringend benötigte Mietwohnungen mit Vergaberecht der Stadt fertigstellt, befanden sich einst Sportanlagen. Der erste von fünf Bauabschnitten ist derzeit im Entstehen. „Die Umsetzung von Smart-City-Prinzipien sowie von Sozialraum-Maßnahmen wird im Rahmen eines Forschungsprojekts, an dem sich unter anderem die Universität Innsbruck beteiligt, wissenschaftlich begleitet“, sagt Projektleiter Martin Franzmair. Die Sportanlagen werden in Absprache mit den Vereinen modernisiert und an neue Standorte übersiedelt.

Was Sie wissen sollten zu Projekten . . . in den Bundesländern

Projekt 1

St. Pölten. Neben der Errichtung einer Traglufthalle im Sommerbad, dem Bau einer Indoor-Laufbahn im Olympiazentrum und der Modernisierung des Schulturnsaals Viehofen ist die – bei Naturschützern wegen Rodungsmaßnahmen an der Traisen umstrittene – Sanierung der Stadtsportanlage, der Heimat der Nachwuchs-Fußballakademie, geplant.

Projekt 2

Eisenstadt. Kein akutes Wohnungsproblem kennt man trotz zahlreicher Zuzüge, vor allem von Jungfamilien, in Eisenstadt. Zusätzliche Kinderbetreuung ist aber gefragt, eine Offensive wurde gestartet. Seit Herbst spielen 120 Kids im neuen Kindergarten unweit der HTL, „und in St. Georgen steht schon der nächste im Rohbau“, berichtet Bürgermeister-Pressesprecherin Bettina Eder.

Projekt 3

Linz. Der Hafen, dessen Infrastruktur nicht mehr dem größten Warenumschlagplatz Österreichs gerecht wird, wird bis 2024 um 140 Mio. Euro erneuert. Ein Teil des Beckens wurde bereits zu Manipulationsfläche für die rund 3,5 Mio. Tonnen Güter, die hier pro Jahr verladen werden. „Dazu entstehen Lagerhallen und Eventflächen, etwa für Konzerte“, sagt Bürgermeister Klaus Luger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wiener Ansichten

Sonnwendviertel: Von der Aussicht in Zeiten der Cholera

Eine neue Wohnhausanlage und ein Stück Kunst im öffentlichen Raum: Besuch in Favoriten.
Wohnträume 1928: Interieur für die erste Generation von Gemeindewohnungen.
Ausstellungen

100 Punkte für das Wohnen

Zwei Formate widmen sich derzeit dem Thema „Besser wohnen“: Rückblick in Wiener Gemeindebau-Tradition, Ausblick in eine mögliche genossenschaftliche Zukunft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.