Die Regierung verspricht ein Entlastungspaket für Geringverdiener und Familien. Der erste Teil der Steuerreform wird noch heuer kommen. Arbeitslose erhalten eine Einmalzahlung von 450 Euro. Die Opposition spricht von einer Almosenpolitik.
Die erste Reise der türkis-grünen Regierung ging an die Romantikstraße. Das könne kein schlechtes Zeichen sein, wurde bei der Klausur in Krems, bei der das Coronavirus nicht mehr als eine Randnotiz gewesen ist, gescherzt. Die vergangenen viereinhalb Monate sind dann doch äußert turbulent gewesen. Für Österreich. Und für seine frisch gekürte türkis-grüne Regierung.
Die Ausbreitung des Coronavirus hat ÖVP und Grüne vorübergehend zusammenrücken lassen. Gefragt war gemeinsames Krisenmanagement. Doch je kleiner die direkte Bedrohung durch das Virus wurde, desto größer wurden die Unstimmigkeiten in der Koalition. Das machte sich bei inhaltlichen Fragen bemerkbar, wie etwa den EU-Wirtschaftshilfen, bei personellen Rochaden, wie der Entmachtung des ÖVP-nahen Sektionschef Christian Pilnacek durch die grüne Justizministerin Alma Zadić sowie bei mangelndem Informationsaustausch rund um das Ibiza-Video.
Rechtzeitig vor der zweiten Regierungsklausur versucht die Koalition das gemeinsame Krisenmanagement wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Nun geht es nicht mehr um Gesundheitsregeln und Soforthilfe, sondern um langfristigere Maßnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen. Es wurde versucht, ein Paket zu schnüren, das beide Parteien ihrer Klientel guten Gewissens überreichen können. In den vergangenen Tagen hat es deshalb einen regen Tauschhandel gegeben.
Am Montag und Dienstag sollen bei der diesmal weniger glamourösen Klausur im Kanzleramt die Details geklärt werden. Die ersten Maßnahmen, die aus diesem türkis-grünen Interessenaustausch hervorgingen, wurden aber schon im Vorfeld verkündet. Es wird eine Mehrwertsteuersenkung für Kultur, Gastronomie und Medien von 20, 13 bzw. zehn auf fünf Prozent geben. Das soll von 1. Juli bis Ende des Jahres gelten. Dafür muss allerdings erst die EU ihren Segen geben.
Die ÖVP hat mit dieser Ankündigung am vergangenen Freitag ihrer Klientel, der besonders stark betroffenen Gastronomie, Hilfe in Aussicht stellen können. Die Grünen konnten den ihnen vielfach nicht abgeneigten Kulturschaffenden etwas versprechen.
Vorgezogene Steuerreform. Am Samstag ließ die Regierung weitere Maßnahmen in den Medien durchsickern. Es wurde ein „Entlastungspaket“ zur Unterstützung von Familien, arbeitenden Menschen und Arbeitslosen angekündigt. „Wir wollen all jenen helfen, die aufgrund des Coronavirus vor besondere wirtschaftliche Herausforderungen gestellt wurden“, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Dafür wird jener Teil der Steuerreform vorgezogen, der für 2021 geplant gewesen ist. Der Eingangssteuersatz, die unterste Stufe der Lohn- und Einkommensteuer, wird noch heuer von 25 auf 20 Prozent gesenkt – und zwar rückwirkend ab Jahresbeginn. Das wird einem Vollzeitbeschäftigten mit einem Bruttoeinkommen von 2000 Euro laut Berechnungen der Regierung pro Jahr 350 Euro bringen. Dem Staat bzw. den Steuerzahlern wird das insgesamt 1,6 Milliarden Euro kosten.
Davon profitieren aber nicht alle Bürger. Denn es gibt viele Menschen in Österreich, die aufgrund ihrer geringen Einkommen keine Lohnsteuer zahlen. Für sie wird es eine Einmalzahlung von 100 Euro in Form einer Sozialversicherungsgutschrift geben. Eine Forderung der Grünen. Überhaupt, sagte Vizekanzler Werner Kogler im Interview mit dem „Standard“, würde das Sozialpaket „eine starke grüne Handschrift tragen“.
Nur blass ist diese mit Blick auf das Arbeitslosengeld ausgefallen. Hier wird es keine generelle Erhöhung geben. Dabei wurde das zuletzt nicht nur von der SPÖ gefordert. Für eine befristete Anhebung hat sich sogar der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) ausgesprochen. Auch der grüne Sozialminister, Rudolf Anschober, konnte sich eine solche vorstellen.
Doch geworden ist daraus nichts. Statt auf eine Erhöhung hat man sich auf eine Einmalzahlung in der Höhe von 450 Euro pro Arbeitslosen geeinigt. Die Grünen versuchen auch das gut zu verkaufen. Im Interview hat Parteichef Kogler von einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes um 150 Euro pro Monat im nächsten Quartal gesprochen. Was danach passiere, sei ohnehin „ein eigenes Thema“. Die Debatten scheinen also nicht abgeschlossen. Allein diese Einmalzahlungen summieren sich auf 150 bis 200 Millionen Euro.
360 Euro pro Kind
Eine besondere Unterstützung wird es in der Krise auch für Familien geben. 360 Euro werden pro Kind versprochen – und zwar für alle Kinder, für die Kinderbeihilfe bezogen wird. Das Geld will die Regierung bereits ab September locker machen. Kostenpunkt des Kinderbonus: 650 Millionen Euro.
Man werde für diese Maßnahmen neuerlich Schulden machen müssen, sagten Kanzler und Vizekanzler. Das müsse sich Österreich aber leisten. „Alles andere wäre noch teurer. Was die Menschen brauchen, wird jetzt einmal gemacht“, so Kogler.
„Blanker Hohn“. Der Opposition ist das deutlich zu wenig. Insbesondere die Einmalzahlung für Arbeitslose wurde sofort harsch kritisiert. Mehr als 100.000 Menschen hätten „aufgrund des Missmanagements der Regierung OHNE Not ihren Job verloren“, schrieb SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter. Die Einmalzahlung sei „der blanke Hohn“ und „erbärmlich“. FPÖ-Sozialsprecherin, Dagmar Belakowitsch, sprach von „Pflanzerei“. Die Regierung soll echte Lösungen präsentieren und „keine Almosenpolitik“ betreiben.
Am Montag und Dienstag wird es bei der Klausur im Kanzleramt jedenfalls weitere Ankündigungen geben.