Kolumne zum Tag

Im Urlaub ist uns wirklich nichts mehr heilig

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Erlauben untertänigst, die Wurzeln des Begriffs Urlaub etwas genauer zu untersuchen.

Jetzt, wo die Grenzen langsam wieder aufgehen, ist mancher Sehnsuchtsort wieder erreichbar. Wobei, zunächst sollten wir über Sehnsuchtsorte an sich reden. Warum klingen eigentlich so viele von denen wie Diskotheken am Land? Miami, Malibu, Acapulco, zum Beispiel. Und gibt es eigentlich vice versa irgendwo auf dem amerikanischen Kontinent einen Nachtclub Gerasdorf oder eine Tanzbar Gramatneusiedl? Irgendwie hat es die angloamerikanisch dominierte Popkultur geschafft, dass es nicht nur tausende Lieder über California gibt (bei den Red Hot Chili Peppers kommt das gefühlt in jedem Lied vor), sondern dass man dank Falco sogar in Österreich weiß, wie man Tucson, Arizona korrekt ausspricht. Aber wir schweifen ab, wir waren bei offenen Grenzen, die im Sommer gern für den Urlaub überschritten oder -flogen werden.

Damit sind wir beim Thema, warum nämlich Urlaub „Urlaub“ heißt. Sie werden es nicht glauben, das hat tatsächlich etwas mit erlauben zu tun. So verstand man etwa unter dem mittelhochdeutschen „Urloup“ so etwas wie die Erlaubnis, sich zu entfernen, was in der Neuzeit zu einer zeitweiligen Freistellung vom Dienst oder von der Arbeit angepasst wurde. Im Englischen muss man für das Wegfahren etymologisch offenbar nicht um Erlaubnis fragen, leitet sich doch „holiday“ tatsächlich von „holy“ und „day“ ab, also einem heiligen Tag, der dann gleich auf mehrere gestreckt wurde. Eine (nicht nur, aber doch) religiöse Wurzel hat auch der Begriff „Ferien“. Der führt über das lateinische „feriae“ zur Bedeutung von arbeitsfreien Tagen, zunächst gedacht für religiöse Handlungen. Im Deutschen wurde der Begriff dann in der Gerichtssprache für verhandlungsfreie Tage genützt, später wurde er ins Schulwesen übernommen. Aber wir sind schon wieder abgeschweift – und welchen Sehnsuchtsort erlauben Sie sich heuer?

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2020)

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