Luftfahrt

"Dankbar, das Fliegen starten zu dürfen": AUA nimmt Betrieb wieder auf

AUA-Neustart mit Jubel und Fähnchen schwingen
AUA-Neustart mit Jubel und Fähnchen schwingenAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der erste Flug nach der coronabedingten Pause hat München als Ziel. Die Airline bedient im Juni mehr als 30 Destinationen. Flughafen Wien wird Test-Airport für Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen

Auf dem Flughafen Wien in Schwechat hat Montagfrüh freudige Stimmung geherrscht. Das erlebten auch die Passagiere des AUA-Erstfluges nach 90 Tagen Corona-Pause hautnah mit. Sie wurden am Gate F01 von Dutzenden Flugbegleiterinnen empfangen, die Spalier gebildet hatten, dabei jubelten und Fähnchen schwangen. Die Erleichterung war ihnen anzumerken.

"Es fühlt sich wunderbar an, den Flughafen wieder in Betrieb zu sehen", sagte Airport-Vorstandsdirektor Julian Jäger. Er bezeichnete es als "Privileg und Freude, wieder nach vorne schauen zu dürfen". Jäger verwies darauf, dass auf dem Flughafen die Hygienemaßnahmen erhöht worden seien und Social Distancing gelte. Nicht zuletzt freue er sich "auf ein paar Tausend Passagiere" statt - wie in den vergangenen Wochen - einige Hundert.

Einen "sehr emotionalen Tag" erlebte AUA-Chef Alexis von Hoensbroech. Er sei "dankbar, das Fliegen wieder starten zu dürfen", sagte er, ehe mit Kurs OS111 nach München der Linienflugbetrieb von Austrian Airlines wieder aufgenommen wurde. Um 6.45 Uhr hob eine Embraer 195 mit dem Kennzeichen OE-LWO in Schwechat ab.

Im Cockpit der Maschine mit dem Namen "Vienna Johann Strauss Orchestra" befanden sich Embraer-Flottenchef Ewald Roithner und Sicherheitspilot Rudolf Buchsteiner. Roithner begrüßte mit den Worten: "Ich spreche für alle 7000 Mitarbeiter, wenn ich sage: We are ready to fly."

Die AUA will im Juni vorerst mehr als 30 europäische Destinationen bedienen. Ziele würden freilich seltener und aufgrund der noch geringen Nachfrage mit den kleinsten Maschinen bedient. Im Juli soll das Angebot auf 20 Prozent steigen, dann soll es auch das Comeback der Langstrecke (vorerst Newark/New Jersey, Washington, Chicago sowie Bangkok) geben. Bis zum Jahresende seien 50 Prozent "gegenüber Normalzeiten" geplant.

Wann es einen "neuen Normalzustand" geben werde, "kann niemand vorhersehen", so der AUA-Chef. Es werde "eher Jahre als Monate" dauern. Erst 2022 oder 2023 sei mit "80 Prozent des Niveaus vor der Krise" zu rechnen.

Es sei "unser Ziel gewesen, dieses Unternehmen wieder zum Fliegen zu bringen", betonte von Hoensbroech. Der Neustart am Montag sei demnach ein "emotionaler Augenblick" gewesen.

Die Auslastung der Maschinen am Tag des Comebacks habe 70 Prozent betragen. Damit sei er "sehr zufrieden", sagte der CEO. Aber die Menschen seien noch "unsicher", was zeitlich weiter entferntere Buchungen betreffe.

Athanasios Kalliontzis, Leiter des Aeromedical Center der AUA, erläuterte in der Pressekonferenz, "warum der Babyelefant nicht mit an Bord" müsse. Er verwies dabei insbesondere auf die MNS-Pflicht für alle Passagiere (ab sechs Jahren, Anm.) und für die Mitarbeiter. Zudem würden in den Austrian-Maschinen "nach jedem Flug" alle Oberflächen von den Toiletten bis zu den Sitzreihen sehr intensiver Reinigung und Desinfektion unterzogen.

Jeder AUA-Passagier erhalte beim Einsteigen in die Kabine ein Desinfektionstuch, führte Kalliontzis weiter aus. Nicht zuletzt würden sogenannten HEPA-Filter (High Efficiency Partikel Absorber) an Bord der Austrian-Flugzeuge 99,9 Prozent aller Viren, Bakterien und Partikel aus der Luft entfernen.

AUA-Chef Alexis von Hoensbroech sieht mit dem 600 Millionen Euro schweren Hilfspaket die Fluglinie dauerhaft gerettet, wie er im Interview mit dem "Standard" (Wochenendausgabe) sagt. "Die AUA ist mit dem Geld dauerhaft gerettet. Sie war ja vor der Corona-Krise kein Sanierungsfall, sondern seit sieben Jahren in der Gewinnzone."

Drehkreuz bleibt erhalten

Nun seien für zwei Jahre Kurzarbeit geplant, so lange könne es keine Kündigungen geben. "Unser Ziel sind 80 Prozent der früheren Unternehmensgröße im Jahr 2022", sagt Hoensbroech. "Da hätten wir dann aus jetziger Sicht 1100 Mitarbeiter zu viel." Derzeit hat die AUA 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Er gehe davon aus, dass ein großer Teil des Abbaus bis zum Jahr 2022 über die Fluktuation erreicht werden könne.

Die AUA-Mitarbeiter verzichten für fünf Jahre auf 300 Millionen Euro. Boden- und Bordpersonal verzichten laut dem AUA-Chef nach der Kurzarbeit auf bis zu 13 bzw. 15 Prozent, der Vorstand auf 15 Prozent des Grundgehalts, Boni werde es wohl nicht geben. "Ich werde auf deutlich mehr als die Hälfte meines bisherigen Gesamteinkommens verzichten", sagt Hoensbroech.

Die Kunden erhalten eine Rückerstattung ihrer Tickets für gestrichene Flüge. Es gehe um einen "hohen zweistelligen Millionenbetrag", die Servicecenter arbeiten auf Hochdruck, versichert der Manager. "Aber es wird noch viele Wochen dauern, bis wir alles abgearbeitet haben."

"Die eigentliche Dividende der AUA-Rettung ist der Erhalt des Drehkreuzes Wien", meint er. An der AUA hänge eine Wirtschaftsleistung von rund fünf Milliarden Euro im Jahr, und dafür wurden einmalig 150 Millionen Euro in die Hand genommen. "Das ist kein schlechtes Investment."

Das Rettungspaket umfasst insgesamt 600 Millionen Euro: 150 Millionen sind eine nicht-rückzahlbare Subvention des österreichischen Staates, 150 Millionen kommen von der Konzernmuttergesellschaft Lufthansa und 300 Millionen sind ein Kredit, der vom österreichischen Staat zu 90 Prozent garantiert ist.

Flughafen Wien wird Test-Airport

Der Flughafen Wien wird Test-Airport für Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen der europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA. In Schwechat bereits umgesetzte Konzepte und nun aus dem Praxisbetrieb gewonnene Erkenntnisse sollen in die Gestaltung künftiger Regelungen einfließen, erläuterte Vorstandsdirektor Julian Jäger am Montag im Rahmen einer Pressekonferenz.

Ziel der EASA sei es, internationale Standards zu entwickeln. Die von der Luftfahrtbehörde kürzlich veröffentlichte "EASA-Charta" mit Empfehlungen für sicheres Reisen, sei vom Airport Wien ebenfalls unterzeichnet worden, so Jäger. Der Flughafen wolle ein Vorreiter dabei sein, Covid-19-Sicherheitsmaßnahmen europaweit weiterzuentwickeln. Andere Test-Airports seien London Heathrow, Paris CDG, Frankfurt und München.

Für die Rückkehr zur gewohnten Reisefreiheit in der Luftfahrt seien internationale Standards für effiziente Schutzmaßnahmen wichtig. Daran arbeite die EASA, sagte Jäger.

Die unterzeichnete "Charta" werde etwa dahin gehend umgesetzt, dass im gesamten Terminalbereich auf dem Flughafen Wien eine Schutzmaskenpflicht für Passagiere, Abholer und Beschäftigte gelte. Auch sei ein Abstand von mindestens einem Meter einzuhalten, worauf mit Bodenmarkierungen, Beschilderungen und Durchsagen regelmäßig hingewiesen wird. Check-in-, Boarding- und Informationsschalter sind mit Plexiglas-Schutz ausgestattet, im gesamten Terminalbereich zahlreiche Handdesinfektionsständer aufgestellt. Bei Busabfertigungen wird laut Airport die Zahl der Passagiere limitiert, um auch im Bus ausreichenden Sicherheitsabstand ermöglichen zu können.

Neu ist laut Jäger nicht zuletzt, dass bei allen ankommenden Passagieren nun mit Wärmebildkameras vollautomatisch Körpertemperaturmessungen durchgeführt würden. Auf dem Weg zur Gepäckausgabe passieren die Reisenden im Vorbeigehen das Kamerasystem, das automatisch arbeitet. Bei erhöhter Temperatur von Fluggästen wird ein Amtsarzt hinzugezogen, der eine persönliche Nachkontrolle durchführt und mögliche weitere Schritte einleitet.

Fernbusse von Wien starten wieder

Ab 16. Juni werden auch erste Fernbusverbindungen von Wien aus wieder aufgenommen. Der Vienna International Busterminal öffnet heute schon nach drei Monaten Schließung wieder für den operativen Betrieb, teilte das Unternehmen am Montag mit. Nationale Busverbindungen gab es schon seit dem 28. Mai.

Gestartet werde nach Tschechien, Ungarn, Serbien, Bulgarien und in die Slowakei. Kroatien, Slowenien, Italien und Deutschland folgen in den nächsten Tagen. Die Nachfrage nach Bustickets und Reisen sei "in den letzten Tagen enorm gestiegen" so Thomas Blaguss, Geschäftsführer bei der Mutterfirma Blaguss.

In den Fernbussen erfolge der Ein- und Ausstieg derzeit ausschließlich über die hintere Bustür. Ein berührungsloser digitaler Check-In und Ticketkontrollen sowie die verpflichtende Händedesinfektion vor dem Einstieg an Bord sind vorgesehen. Beim Ein- und Ausstieg sowie während der gesamten Fahrt ist das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes Pflicht. Zwei Sitzreihen hinter dem Fahrer bleiben frei und die Passagiere müssen ihr Gepäck selbst verladen. Auch stehen keine Toiletten an Bord zur Verfügung, dafür wird es genügend Pausen geben.

(APA)

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