Führungsfehler

Die Sache mit der Verantwortung oder: Ich will wie ich will

Kolumne. Heute kein klassischer „Führungsfehler“, sondern einfach zum Nachdenken. Stichwort: das „Neue Normal“.

Wir Österreicher stehen auf Selbstverantwortung. Keiner darf uns dreinreden, Motto: Ich will wie ich will. Manchmal auch: Jetzt erst recht. (Ja, das ist eine Anspielung.) 

Dass wir unter dieser Flagge der Selbstverantwortung eine Menge Zwänge akzeptieren – im Berufsleben von Hierarchien bis Arbeitsort und Arbeitszeit – deuten wir geflissentlich um. War ja meine Entscheidung, in diese Firma zu gehen, sagen wir dann. Rationalisieren nennen das die Psychologen.

Lassen wir die vergangenen Monate Revue passieren. Da war sehr plötzlich sehr vieles neu. Der sonst so präsente Chef wurde zum flachen Bild am Schirm, das man abschalten konnte. Das sattsam besprochene Home Office, davor ein No Go (der Datenschutz, Sie wissen…) -auf einmal normal. Die Arbeitszeit plötzlich beliebig, solange die Stundensumme stimmte.

Vor allem: Auf einmal war alles möglich. Die Regierung als über der Wirtschaft stehende Autorität hatte gesagt: Ihr dürft, nein, ihr müsst jetzt digital, virtuell, remote arbeiten. In Phase 1 der Coronakrise war die Gesundheit der Bevölkerung das oberste Ziel, Sie erinnern sich? Der Staat übernahm die Verantwortung und zwang die Menschen in die sicheren Wohnzimmer. Und wir Österreicher waren dankbar dafür, dass uns jemand die Verantwortung aus der Hand nahm und uns zum Richtigen „nötigte“.

Wendepunkt

Vor zwei Wochen drehte sich das wieder. Bis auf wenige Ausnahmen kann jetzt jeder wieder gehen, wohin er will, beruflich wie privat. Der Staat wendete sich Phase 2 zu, der Wirtschaft.

Damit gibt er die Verantwortung für unser Wohl wieder an uns ab. Ein wenig auch an die Firmen, im Sinne des Arbeitnehmerschutzes, vor allem aber an die Menschen selbst. Meine Entscheidung, ob ich mich am Donaukanal drängle, auf Demos gehe und genussvoll den Babyelefanten zertrample. Oder ob ich weiter auf Bussi-Bussi verzichte, Maske trage und Ansammlungen meide.

Schon pochen die Menschen wieder auf ihre Freiheit und rufen: Ich will wie ich will! Da steckt aber auch wieder drinnen: Ich und nur ich trage wieder die Verantwortung für mich.

Nur sagt einem das keiner so direkt ins Gesicht.

Deswegen kommt hier eine kleine Denkaufgabe. In Ihrem persönlichen Werte-Ranking, angesichts einer möglichen zweiten Corona-Welle, wie weit oben steht da das Gesundbleiben,

a. wenn keiner es mehr von außen vorschreibt?
b. wenn all die Versuchungen wieder locken?

Das (Selbst-)Management. Unendliche Möglichkeiten für Führungsfehler. Wenn Sie einen solchen loswerden wollen, schreiben Sie an: andrea.lehky@diepresse.com

Ähnlichkeiten mit realen Personen und Unternehmen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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