Zentrum. Die Hauptstadt Triana wächst.
Reisen

Albanien: Alter Stahl und neuer Glitzer

An der Küste entstehen Hotelkomplexe, das Hinterland ist still. In den Städten Albaniens ist einiges an Aufbruchsstimmung zu spüren.

Wer morgens um acht durch das erwachende Elbasan bummelt, erkennt bald, wo die Sehnsuchtsziele der Menschen liegen: anderswo. Annis Cosmetics, der Damensalon Lady Diena, die Irish Bar und die Bar Playstation säumen die Rruga Rinia. Zwischen Maserati-Pub und Barber Shop Henry riecht es nach scharf geröstetem Kaffee und frisch Gebackenem. Gerade öffnet Euro-Kids mit Spielzeug für hoffentlich künftige EU-Bewohner seine Türen. Vor der Farmaci Berlin wäscht ein Mann seinen alten Mercedes mit einem Schwamm wie eine Geliebte. Und an einem der kleinen, runden Cola-Kioske stopft ein Opa seinem Enkel ein Stück Schokolade in die Schultasche, worauf der Bub über das ganze Gesicht strahlt. Der alten Frau auf der Mauer vor dem Smart Home PC Point kann der Besucher zwar ein Paar selbst gestrickte Socken für umgerechnet fünf Euro abkaufen, aber Näheres über ihr Leben in Albaniens drittgrößter Stadt lässt sich mit Händen und Füßen eben nicht erfragen. Und so ist er froh, später wieder Ina Havaraj, die Reiseführerin, an seiner Seite zu wissen.

Albanien ist ein faszinierendes Land, das jede Menge Fragen aufwirft und unendlich viele Geschichten erzählt - wenn jemand da ist, der sie übersetzt. Will man mehr erfahren als reines Reiseführerwissen, bedarf es einer kompetenten Begleitung wie etwa der 27-jährigen Ina, die Psychologie studiert hat, sich im Tourismus aber besser aufgehoben fühlt. Trotz Korruption und hoher Arbeitslosigkeit im Land hat sie ihren Optimismus nicht verloren: "Es wird ja von Tag zu Tag besser."

» Das Land ist nicht mehr Gnadenhof für Autoschrott aus Mitteleuropa.«

Ölpumpen und Baukräne. Schon optisch prägen tiefe Gegensätze das Land. Da sind die schwarz-verschmierten Ölförderpumpen der ehemaligen Stalin-Stadt Kucova, die sich bis in Hinterhöfe hinein heben und senken wie versehentlich nicht stillgelegte Industriedenkmäler. Zur gleichen Zeit drehen sich in Tirana moderne Baukräne über den beigefarbenen Villen und den Grenzmauern der Rolling Hills, des neuen Reichenviertels.
Noch sind im ganzen Land klapprige Busse aus Deutschland und rostige Lkw mit "Eismann"-Aufschrift unterwegs. Aber Albanien ist nicht mehr nur der Gnadenhof für Mitteleuropas Autoschrott: Sportwägen und SUVs zeigen, dass neues Geld auch mit neuen Autos protzen will.
In den verfallenen Fabrikhallen des einstigen Kombinats "Stahl der Partei" arbeiteten einst 11.000 Menschen. Heute schmelzen gerade einmal 3000Angestellte Abfallmetall aus ganz Europa ein. Schon zwei, drei Kilometer weiter aber beginnen blühende Landschaften: Ginster leuchtet, Rebenreihen ziehen sich die Hänge hinauf, zwischen Pappeln und Vogelbeeren schmiegen sich Steinhäuser an steile Hänge. Bunker ragen wie halbversunkene Domkuppeln aus der Erde. Häuser in jedem Zustand der Nichtfertigstellung warten auf den nächsten Geldschub aus dem Ausland. Und entdeckt man irgendwo einen maurischen Tempel oder ein Märchenschloss mit einem schwarzen Adler, handelt es sich garantiert um ein neues Hotel.

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