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Vivien Sakura Brandl: "Spannende Zeiten für die Mode, schwierige für die Modeindustrie"

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Designerin und Besitzerin des Shops Sight Line, Vivien Sakura Brandl, zeigt sich in der Krise kreativ.

In die Modewelt tauchte Vivien Sakura Brandl 2007 mit der Gründung ihren Shops Sight Store im siebten Wiener Bezirk ein. 2015 gründete sie ihre eigenes nachhaltiges Modelabel namens Sightline.

Wie gehen Sie mit der derzeitigen Situation um? 

Ich erlebe die derzeitige Krise oder Situation als Designerin, Store-Besitzerin, Selbstständige und auch als Mutter zweier lebhafter Kinder im Alter von 8 und 11 Jahren. Klar, war es für mich genauso wie für fast alle ein riesiger Schock, meinen Store schließen zu müssen, das Datum wird mir sicherlich für immer in Erinnerung bleiben. Aber es war ganz klar, die Gesundheit geht vor und niemand wusste, was uns erwarten würde. Die ersten Wochen waren gespickt mit Unsicherheit und Home-Office. Ich habe in dieser Zeit meinen Onlineshop und meine Social-Media-Kommunikation ausgebaut und auch Homeschooling mit meinen Kindern betrieben, was jetzt noch immer ein Thema ist.

Mitte April durfte ich zwar wieder aufsperren, aber da spürte ich - sowohl bei unseren Kundinnen als auch bei mir selbst -  noch eine riesengroße Verunsicherung. Wer kauft in diesen Zeiten schon Designermode, wenn man die Wohnung nicht verlassen soll? Wie geht man mit „Shopping mit Mundschutz" um?  Wir haben Anfang April kurzerhand aus einem Stoff aus der Spring-Summer-Kollektion aus dem Jahr 2018 Gesichtsmasken zu den passenden Kappen produzieren lassen. Die sind super angekommen und wir werden den Großteil der Einnahmen für karitative Zwecke spenden.

Aber es entstehen immer neue Ideen, wie ein Kakteen-Pop-up bei uns im Laden. Die Kakteen werden liebevoll ohne Giftstoffe im Garten gezogen. Fairer und nachhaltiger geht es eigentlich gar nicht. Wir freuen uns, wenn viele vorbeikommen um sich ein Stückchen Wüstenflair und Sommerlaune für ihr Fensterbrett zu holen. Eine Woche später werden wir einen Lavendel-Pop-up veranstalten. Da gibt es frische Lavendel-Sträuße auch von einem Feld in Wien, die unsere Kunden dann nach Lust und Laune selbst trocknen können. Wie Sie sehen, versuchen wir das beste aus der Situation zu machen.

Kakteen
KakteenSightstore
Kakteen Pop Up
Kakteen Pop UpSight store

Wie kann es in der Mode weitergehen, was wird sich Ihrer Meinung nach verändern?

Es wird in der Mode sicherlich ein Umdenken stattfinden bzw. Veränderungen, die schon in den letzten Jahren sichtbar wurden, beschleunigen. Ich nehme an, dass wieder weniger Kollektionen pro Jahr produziert und zeitlose Kleidung wichtiger wird. Fast Fashion, die zu unfairen Bedingungen produziert wird, wird nach und nach an Bedeutung verlieren. Und vor allem wird beim Kauf mehr Wert auf Fairness und Nachhaltigkeit gelegt, am besten zu leistbaren Preisen.

Aufgrund der eingeschränkten Reisetätigkeit werden die großen Mode-Messen – zumindest heuer – wahrscheinlich nicht mehr stattfinden und vieles wird vermehrt online präsentiert. Das haben wir ja bereits einerseits an den vielen abgesagten Events und andererseits an den unzähligen Catwalk-Onlinestreams gesehen.

Es sind bestimmt spannende Zeiten für die Mode und schwierige Zeiten für eine Modeindustrie, wo es aber schon längst Zeit wurde, dass ein Umdenken stattfindet.

Geschäfte dürfen jetzt wieder offen halten, ist das eine Erleichterung? Können Sie schon abschätzen, wie sich die Situation entwickelt? Wie steht es um Öffnungszeiten, Umsatz, Kundenzuspruch?

Natürlich ist es für mich als Store-Besitzerin wichtig wieder am sogenannten Point-of-Sale zu sein. In den letzten Wochen war die Kauffreude aber schon noch merkbar reduziert. Wir haben mittlerweile wieder normale Öffnungszeiten, da auch die Kommunikation bezüglich der Öffnungszeiten immer wieder für Verwirrung gesorgt hat. Unsere Stammkunden unterstützen uns dankenswerterweise sehr tatkräftig, aber die fehlenden Touristen sind auch im Umsatz deutlich spürbar. 

Wie hat sich der Kundenzuspruch in ihrem Onlineshop verändert? Wie wichtig ist er aktuell?

Bis vor kurzem haben meine Kunden den Online-Shop zum gustieren genutzt und sind dann in den Shop gekommen um die Kleidung oder die Accessoires zu probieren und in live zu sehen. Seit dem Lockdown konnte ich über den  Online-Shop, kombiniert mit Instagram und Facebook,  mehr mit meinen Kunden online kommunizieren. Jetzt spüre ich aber, dass sie lieber wieder in den Store kommen, auch um zu plaudern und eine persönliche Beratung zu bekommen.

Gibt es Modelle, die jetzt besonders gern gekauft werden?

Mein Lieblingslabel Baserange aus Kopenhagen, das sich auf nachhaltige und faire Produktion spezialisiert hat, hat sich auch während des Lockdown online sehr gut verkauft. Die japanischen Arbeiterhosen sind nach wie vor heiß begehrt. In letzter Zeit sind auch Männer auf den Geschmack gekommen, so dass wir das Unisex Produkt auch wirklich an Männer und Frauen gleichermaßen verkaufen - das freut mich sehr! Speziell für diesen Sommer habe die Farbwelt meiner handgemachten Ledersandalen um Pink und Orange erweitert. Diese kommen online als auch im Store, neben den klassischen Farben sehr gut an.

Sandalen
SandalenSight Store
Jumpsuit der Japanese Denim Kollektion
Jumpsuit der Japanese Denim KollektionSight Sore

Welche Art von Unterstützung würde Ihnen jetzt besonders helfen, bekommen Sie Unterstützung aus einem der Hilfsfonds?

Am meisten hilft es mir, wenn viele zu uns in den Store kommen, sich am Sortiment erfreuen und bei uns auch einkaufen. Dafür sind wir ja da bzw. bemühen wir uns ja täglich einen gut kuratiertes Sortiment anzubieten. Ich habe bislang für die Zeit des Lockdowns Unterstützung von Härtefallfonds erhalten. 

Kann die Krise auch eine Chance für eine positive Entwicklung darstellen? Wie könnte dies aussehen?

Es wird in Zukunft hoffentlich mehr Wert auf Nachhaltigkeit und fair produzierte Produkte gelegt. Regionalität wird sicherlich in weiterer Folge groß geschrieben, da somit Lieferengpässen und Versandschwierigkeiten aus dem Weg gegangen werden kann. Qualität vor Quantität, was ja die Firmenphilosophie des Sight Stores von Anfang an war.

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