Regierungsklausur

50 Milliarden für Corona-Hilfen: "Das Wichtigste ist, dass die Wirtschaft atmen kann"

Austrian Chancellor Sebastian Kurz and Vice Chancellor Werner Kogler attend a news conference, following an outbreak of the coronavirus disease (COVID-19), in Vienna
Austrian Chancellor Sebastian Kurz and Vice Chancellor Werner Kogler attend a news conference, following an outbreak of the coronavirus disease (COVID-19), in ViennaREUTERS
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Die Regierungsklausur ist vorbei, die staatlichen Gesamtausgaben für die Coronakrise erhöhen sich mit den neuen Hilfsmaßnahmen auf rund 50 Milliarden Euro.

Genau drei Monate sind die ersten Coronamaßnahmen her: Österreich sperrte zu, die Bevölkerung schützte sich vor der neuen Lungenkrankheit Covid-19 durch Distanz und Disziplin. Mittlerweile ist wieder aufgesperrt. „Das Wichtigste ist natürlich, dass die Wirtschaft atmen kann, dass die Wirtschaft leben kann“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag. Im März hatte er die Losung „Koste es, was es wolle“ ausgegeben; am Dienstag gab es die Zahl: 50 Milliarden Euro.

So viel will die Regierung in Form von Hilfsgeldern insgesamt in die österreichische Wirtschaft pumpen. Mit einem Potpourri an Maßnahmen wolle man die Wirtschaft „resilienter machen“, wie Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) nach dem Ende der türkis-grünen Regierungsklausur am Dienstag sagte, wo zuvor ein neues Maßnahmenpaket - Kostenpunkt: 19 Milliarden Euro - geschnürt worden war. Die bereits in den vergangenen Monaten beschlossenen Rettungsmaßnahmen in Branchen wie Gastronomie, Tourismus, Veranstaltungswesen und Kultur sollen nun ausgeweitet, der coronabedingt eingeführte Fixkostenzuschuss auf das ganze Jahr 2020 ausgedehnt werden. Dazu kommt ein Kinderbonus sowie das Vorziehen der Steuerreform. 1000 Euro netto pro Jahr sollten Familien nun bleiben, sagte Kurz. Er betonte neuerlich den internationalen Vergleich, in dem Österreich gut abschneide: Das Land habe geringere Opferzahlen als anderswo, das „Hochfahren“ sei ebenfalls schneller gegangen. Dennoch: Die Weltwirtschaftskrise werde auch in Österreich spürbar sein. „Dieses Jahr wird ein wirtschaftlich sehr, sehr schwieriges Jahr sein.“

Staatsschuldenquote bei 90 Prozent

„Es ist nicht alles prognostizierbar, das hat die Zukunft so an sich“, schloss sich Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dem an. Die Regierung versuche mit den Hilfsgeldern, „die Unsicherheit rauszubringen in der Wirtschaft“ und im sozialen Bereich „zusätzliche Sicherheitsnetze zu spannen“. Wenn in Deutschland ein „Wumms“ gelungen sei, dann sei Türkis-Grün mit den Coronamaßnahmen ein „Mega-Wumms“ gelungen. In Hinblick auf die vielfach vorgetragene Kritik, in Österreich würde die Auszahlung von Hilfen - im Gegensatz zu Deutschland - bürokratischer sein und länger dauern, sagte der Grünen-Chef: Auch wenn es so sei, „dass das nicht niederprasselt an einem Tag“, sei es schließlich nachhaltiger, Hilfsgelder aufgeteilt zu erhalten „als alles auf einmal“. Auch er betonte, dass etwa das Modell des Fixkostenzuschusses, das „immerhin“ um sechs Monate verlängert werde, „europaweit Beachtung“ fände.

„Wir rechnen mit einer Staatsschuldenquote von 90 Prozent“, sagte Kurz. Nach der Finanzkrise sei diese bei 85 Prozent gelegen, vor Corona bei 70 Prozent. Um die Quote wieder zu senken, hoffe er auf „starkes Wirtschaftswachstum“: „Ich halte das für machbar. Zentral wird sein, dass es uns gelingt, dass uns die Wirtschaft wieder voll anspringt.“ Gleichzeitig hänge man von internationalen Entwicklungen ab. Kogler ergänzte, man finanziere dies mit mehrjährigen Anleihen; man zahle dafür so gut wie null Prozent Zinsen. „Wir sind da relativ gut dran. Diesen Vorteil sollten wir nutzen.“ Von Investitionen abzusehen, würde „viel mehr“ kosten.

400 Millionen Euro für Land- und Forstwirte

Neben der bereits bekannten Maßnahmen, die im Zuge der Regierungsklausur in Wien beschlossen worden waren - wie etwa eine 14-prozentige Investitionsprämie oder das Vorziehen der Lohnsteuerreform -, gab es am Dienstagvormittag weitere Details des frischen Corona-Pakets. Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kündigte etwa eine degressive - im Gegensatz zur linearen - Abschreibemöglichkeit an. Außerdem soll ein 400-Millionen-Euro-Programm für Land- und Forstwirte kommen. Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) versprach den Bauern ein rückwirkendes Entlastungspaket von 50 Millionen Euro bei Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern. Vorgesehen sind rückwirkend ab 1. Jänner 2020 höhere Pensionen für Bauern. Die Absenkung des Anrechnungsprozentsatzes beim fiktiven Ausgedinge von 13 auf zehn Prozent erhöhe die jährliche Pension der Bauern um im Schnitt 450 Euro, hieß es. Außerdem soll der Solidaritätsbeitrag in Höhe von einem halben Prozent, den alle bäuerlichen Pensionisten zahlen, gestrichen werden. Weiters wird die Krankenversicherungs-Mindestbeitragsgrundlage angeglichen, was für Einheitswertbetriebe mit bis zu 320 Euro im Jahr und Optionsbetriebe mit bis zu 930 Euro im Jahr entlastet. Eingeführt wird eine steuerliche Risikoausgleichsmaßnahme, also eine Gewinnglättung, um die Landwirte besser vor Preis- und Ertragsschwankungen zu schützen.

Weitere 350 Millionen Euro seien für Investitionsmaßnahmen gedacht. Das Landwirtschaftsministerium führte am Dienstag weitere ausgewählte Steuererleichterungen an, etwa für die Wiederaufforstung nach Schadensereignissen und die Errichtung "klimafitter" Wälder, sowie für die Errichtung von Lagerstätten für Schadholz und die Förderung der mechanischen Entrindung als Forstschutzmaßnahme. Borkenkäferschäden sollen abgegolten werden.

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte, es gehe darum, "die Weichen richtig zu stellen". Sie erklärte nach Ende der Klausur, dass 2021 und 2022 jeweils eine „Klimamilliarde“ zusätzlich in Form von Direktinvestitionen kommen solle. Die größten Teile davon würden in eine Sanierungsoffensive, in den Ausbau erneuerbarer Energie, in Aufstockungen für Innovationsprogramme und die Finanzierung des Eins-zwei-drei-Tickets im öffentlichen Verkehr fließen.

(epos/APA)

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