Morgenglosse

Das Gewinsel über den US-Abzug hilft Deutschland nicht weiter

Archivbild von US-Soldaten bei einer Nato-Übung in Polen.
Archivbild von US-Soldaten bei einer Nato-Übung in Polen.APA/AFP
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Dass US-Präsident Trump seine Drohungen wahr macht, darf nach jahrelangem Geplänkel um die Nato-Beiträge niemanden überraschen. Deutschland sollte sich an die neue Sicherheitslage gewöhnen.

Angela Merkel ist es schon vor drei Jahren gedämmert: Auf die USA sei kein Verlass mehr, Europa müsse sein Schicksal in die eigene Hand nehmen, rief die deutsche Kanzlerin im Mai 2017 in ein Bierzelt im Münchner Stadtteil Trudering. Sie war gerade einigermaßen verstört von einer denkwürdigen Begegnung mit US-Präsident Donald Trump auf dem G7-Gipfel in Sizilien zurückgekehrt. So wirklich überraschend kann es für die Bundesregierung in Berlin jetzt also nicht kommen, wenn der US-Oberbefehlshaber nun den Twitter-Marschbefehl ausgibt, 9500 der derzeit 34.500 in Deutschland stationierten US-Soldaten abzuziehen.

Trump und seine Gefolgsleute haben damit Dutzende Male gedroht, falls die Deutschen ihre Beiträge zur Nato nicht baldigst auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Dieses Ausgabenziel besteht wahrlich nicht erst seit vorgestern. Die Nato-Staaten haben sich bereits 2002 darauf geeinigt und es zwölf Jahre später bei ihren Gipfeltreffen in Wales unter dem Eindruck der Ukraine-Krise noch einmal feierlich festgeschrieben.

Das Nato-Mitglied Deutschland hat sich bis heute nie wirklich an die Zwei-Prozent-Doktrin gebunden gefühlt und mit der Sparefroh-Nummer auch schon zwei US-Präsidenten vor Trump verärgert. Er macht jetzt Ernst, um die Deutschen zu bestrafen und rechtzeitig vor der Wahl den harten America-First-Mann zu markieren. Am Ende schwächt Trump damit das transatlantische Bündnis, wirft Sand ins Getriebe der globalen US-Militärmaschinerie und beschert Russlands Präsident Wladimir Putin ein einigermaßen verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Aber das steht auf einem anderen Blatt Papier, auf der langen Liste der unbeabsichtigten kontraproduktiven Folgen, die der Poltergeist im Weißen Haus mit vielen seiner außenpolitischen Vorschlaghammer-Aktionen heraufbeschwört.

Nicht-Informationspolitik

Bleiben wir bei Deutschland: Zwischen Boden- und Nordsee beschweren sich nun Politiker fast aller Lager lautstark über die US-Abzugspläne, von denen sie erst aus der Zeitung erfahren haben. Unter Verbündeten ist eine solche Nicht-Informationspolitik tatsächlich alles andere als üblich, darüber wundert man sich übrigens auch im Pentagon und im State Departement. Die deutschen Wehklagen klingen dennoch hohl.

Deutschland sollte nicht nur aus Selbstachtung auf Gewinsel über die US-Truppenreduktion verzichten. Das mächtigste Land Europas sollte seine Energie eher darauf verwenden, sich tatkräftig auf eine sicherheitspolitische Situation einzustellen, in der eben kein hundertprozentiger Verlass mehr ist auf die amerikanische Schutzmacht ist. Angela Merkel hat das Problem vor drei Jahren richtig erkannt, daraus aber kaum Schlüsse gezogen. Geschehen ist jedenfalls relativ wenig.

Den Kopf in den Sand zu stecken und darauf zu hoffen, dass Trump die Wiederwahl verpasst, wird nicht reichen. Die USA werden auch nach Trump ihre Rolle als Weltpolizist nicht mehr so umfassend auslegen wie früher. Dieser Zuruf sei erlaubt aus dem neutralen Österreich, der Weltmacht der Trittbrettfahrer.

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