Dem zweifachen Judo-Olympiasieger Peter Seisenbacher (60) wurde eine leichte Strafreduktion gewährt: Aus fünf Jahren Haft wurden vier Jahre und zehn Monate.
Wien. Er wirkte verloren, als er am Donnerstag im imperialen Wiener Justizpalast über die Prachtstiege hinauf zur Statue der alles überragenden Justitia stieg. Drei Justizwachebeamte führten den früheren Weltklasseathleten in den historischen Saal F. Dort trat Peter Seisenbacher ein letztes Mal vor seine Richter.
Der Schuldspruch wegen schweren sexuellen Missbrauchs von zwei unmündigen (unter 14-jährigen) Mädchen ist seit April, seit einem OGH-Entscheid, rechtskräftig. Vom Urteil umfasst ist auch der Tatbestand „Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses“ – und zwar in Bezug auf eine 16-Jährige. Alle drei Opfer waren Ende der 1990-er-, Anfang der 2000-er-Jahre Judo-Schülerinnen des heute 60-Jährigen. Das Oberlandesgericht Wien hatte nun noch die Strafhöhe zu bestimmen. Und gewährte eine kleine Reduktion: Aus fünf Jahren Haft wurden vier Jahre und zehn Monate. Grund dafür war die coronabedingte Auszeit der Justiz.
Die Hände gefesselt, eine Schirmkappe am Kopf und ein Plexiglas-Gesichts-Visier in der Hand (!) – so sah man den zweifachen Judo-Olympiasieger zu seinem letzten öffentlichen Gerichtsauftritt kommen. Bis zu diesem Termin, der nun das Ende des Strafverfahrens markiert, war es ein langer Weg. Schon im Dezember 2016 hätte der Ex-Kampfsportler als Angeklagter vor Gericht erscheinen sollen. Damals hatte es die Anklagebehörde nicht für nötig gehalten, U-Haft zu beantragen. Ein Fehler. Denn der Mann, der 1984 und 1988 eine Goldmedaille umgehängt bekam und später erfolgreicher Judo-Trainer war, hatte sich in die Ukraine abgesetzt. Dort versteckte er sich in einer grauen Wohnsiedlung am Stadtrand von Kiew. Ein internationaler Haftbefehl erging. Der Geflüchtete wurde aufgestöbert. Verstörende Bilder seiner Verhaftung zeigten einen vollbärtigen Mann in Unterwäsche. Seisenbacher lieferte sich sodann ein Katz- und Maus-Spiel mit den Behörden, weil eine rasche Auslieferung nach Österreich laut ukrainischem Recht rechtlich nicht machbar war.
Auf der Flucht geschnappt
Auch der letzte Akt der „Rückholung“ passte zur Tristesse der ganzen Affäre: Seisenbacher wurde im September des Vorjahres festgenommen – beim Versuch, mit einem fremden Pass die ukrainische Grenze in Richtung Polen zu übertreten.
Beim Prozess in Wien bekannte sich der einstige Vorzeigesportler nicht schuldig. Und verfolgte eine speziell klingende Verteidigungslinie: Die drei Missbrauchsopfer könnten Teil einer Verschwörung sein. Und ihn daher zu Unrecht belasten. Der Richtersenat konstatierte lapidar: „Wir haben nicht den Eindruck, dass die drei Frauen sich gegen Sie verschworen haben.“ Und so bekam Seisenbacher im Dezember 2019 (erstinstanzlich) fünf Jahre Haft. Nun folgte eben die moderate Strafreduktion.
Kurz davor hatte Verteidiger Bernhard Lehofer (er ist übrigens Hobby-Judoka) den Richtersenat an die schillernde Karriere des früheren Sport-Idols erinnert. Diese möge bei Ausmessung der Strafe mildernd wirken. „Man sollte ihn nicht nur an diesen Taten, sondern an seinem Lebenswerk messen.“ Und: „Ich bitte, das Gesamtpaket Seisenbacher zu würdigen und nicht nur das, wofür er verurteilt wurde.“ Diesem Appell des Verteidigers kamen die Richter nicht nach.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2020)