Debatte

"Rasse" im deutschen Grundgesetz

imago images/Stefan Zeitz
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Just im geliebten Grundgesetz der Deutschen taucht der Begriff „Rasse“ auf. Das erregt jetzt wieder die Gemüter. Wird das Wort gestrichen?

Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Schon der erste Satz des Grundgesetzes entfaltet Wucht. Er schreit: „Nie wieder!“ Der deutsche Verfassungspatriot schwärmt oft und gern über die Klarheit und Schönheit seines Grundgesetzes. Doch im Sog der Rassismusdebatte beugt sich die Republik misstrauisch über ihr wichtigstes Buch, genauer über Artikel drei, Absatz drei: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ Rasse? Das Wort muss weg, sagen nicht nur die Grünen. Es sei veraltet und überholt und sollte durch „rassistisch“ ersetzt werden. Also: „Niemand darf rassistisch benachteiligt werden.“ Denn: „Es gibt keine Rassen, nur Menschen.“

Als die Rassismusdebatte über den Atlantik schwappte, wurde freilich nicht nur im Grundgesetz geblättert. Einige Wissenschaftler kramten auch alte Zitate von Immanuel Kant hervor. Sie legten dem deutschen Säulenheiligen die Maßstäbe der Gegenwart an und entlarvten ihn, gefühlt zum x-ten Mal, als Rassisten. „Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen. Die gelben Indianer haben schon ein geringeres Talent“, meinte der Aufklärer aus Königsberg zum Beispiel. Nun ist Kant seit 216 Jahren tot. Das parallel debattierte Grundgesetz aber ist putzmunter. Muss es geändert werden?

Alles nur „Theoriekram“?

Die Mütter und Väter der deutschen Verfassung hatten in ihre Aufzählung 1948 ganz absichtsvoll „Rassen“ eingefügt. Damals spukte noch das Rassendenken in den Köpfen. Die Passage ist so besehen Erinnerung an und Bruch mit düstersten Zeiten. Aber heute ist die Debatte weiter, meinen die Grünen. Der Begriff „Rasse“ manifestiere eine Unterteilung, die dem Geist des Grundgesetzes widerspreche. Das Argument zu Ende gedacht: Eine behauptete Existenz von Rassen schafft eine Voraussetzung für Rassismus. Es gibt viel Zuspruch für den grünen Vorstoß, vorsichtig auch von Kanzlerin Angela Merkel. Andere, wie der CDU-Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein, antworten auf die Debatte mit der Höchststrafe: mit Gleichgültigkeit. Es sei ihm egal, ob das Wort geändert werde, meinte Günther und tat die Einlassungen als „Theoriekram“ ab. Der Vorwurf ist glasklar: Die politisch korrekte Sprachpolizei ist wieder aus ihrem Elfenbeinturm herabgestiegen und führt eine „eher hilflose Scheindebatte“, wie ein CSU-Mann meint. Ist es so einfach? Sprache schafft Bewusstsein, schreit die Gegenseite.

Aus biologischer Sicht ist der Schwindel mit den Rassen längst entlarvt: Eine Einteilung des Menschen in Unterarten ist Unfug. Wir sind uns genetisch zu ähnlich. Auch deshalb, weil wir kreuz und quer über den Planeten wanderten. Heute weiß die Biologie, dass die genetischen Unterschiede innerhalb einer Gruppe größer sind als die Unterschiede zwischen den angeblichen „Rassen“. Und Details wie die Pigmentierung der Haut taugen schon gar nicht, um daraus Gruppen von Herren- oder Untermenschen abzuleiten.

Der Spuk mit den menschlichen „Rassen“ hatte an der Wende zur Neuzeit begonnen. Die Spanier gebrauchten das Wort zunächst nicht biologisch. Sie zielten auf die Abstammung. Da Juden die Zwangsbekehrung zum Katholizismus teilweise nur vorgetäuscht haben sollen, fragten die Spanier nicht mehr nach der Religion, sondern nach der Herkunft, nach der „Rasse“, um vermeintliche Ungläubige zu überführen.

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