Spektakuläre Normalität statt Effekthascherei, Lowtech-Angebote statt Extravaganzen: In der Siedlung MGG22 wird mit Erdwärme geheizt und gekühlt, der Wind bringt den Strom. So wohnt es sich klimaneutral in Wien-Stadlau.
Davon, dass die heutige Wiener Katastralgemeinde Stadlau einmal ein Marchfelder Bauerndorf war, merkt man heute auf den ersten Blick nicht mehr viel. Im historischen Zentrum beim alten Bahnhof zeugen noch ein paar Hakenhöfe von der ländlichen Vergangenheit. Südlich davon ist der neue Bahnhof als Umsteigeknoten zwischen Regionalzügen, S-Bahn und der nach Aspern verlängerten U-Bahn ein monströses Brückenbauwerk, das mit den Gleisanlagen und der Südosttangente gigantische Flächen beansprucht. Kein Bahnhofvorplatz, nur Asphaltwüste zwischen Brückenpfeilern; auf einem die vom Künstler Werner Feiersinger aus rotem Stahl geschmiedeten Umrisse des Brückenheiligen Johannes Nepomuk. Nicht ins Wasser wie Nepomuk, sondern in die Orientierungslosigkeit des Betonpfeilerwaldes fühlt man sich gestoßen. Vorbei an den Mehrgeschoßern an der U-Bahn landet man Richtung Mühlwasser bald im rural anmutenden Stadlau.
An der Mühlgrundgasse fühlt es sich zwischen Hecken von Einzelhäusern und landwirtschaftlichen Überbleibseln wie auf einer Weinviertler Hintaus-Gasse an. Eine Siedlung wie jene an der Kante zum Landschaftsschutzgebiet würde man sich in ländlichen Neubaugebieten auch wünschen. MGG22 heißt sie unpoetisch nüchtern. Wegen ihres Gebäudetechnikkonzeptes hat sie bereits das Interesse zahlreicher Besuchergruppen geweckt, denn hier wurde ein Modellprojekt für den Weg in eine CO2-neutrale und klimawandelresiliente Zukunft umgesetzt. Die Wohnungen werden mit Erdwärme nicht nur geheizt, sondern im Sommer auch gekühlt, wobei die Wärmepumpen mit Windenergie aus Überproduktion betrieben werden, die zudem im Beton gespeichert werden kann. Die klimafreundliche Technik ist unsichtbar – dem Wohnklima tut das gut, was man sieht.