Amir Hassan Cheheltan erschafft mithilfe der Kunst in „Der Zirkel der Literaturliebhaber“ einen sicheren Rückzugsort in Zeiten von Krieg und Krise.
In Amir Hassan Cheheltans Roman „Der Zirkel der Literaturliebhaber“ gibt es zwei Welten: die bedrohliche draußen, in der die Politik dominiert; und die innere, die die Eltern des Ich-Erzählers jeden Donnerstagabend zelebrieren, wenn sie Gäste empfangen, Köstlichkeiten reichen und über Literatur plaudern. Lang gelingt es, die Politik auszusperren. Das ändert sich mit der Revolution. Ab dann wird sie zum einzigen Thema.
Als Junge fühlt sich der Erzähler an diesem behüteten Ort fremd, denkt sogar, seine Eltern könnten ihn adoptiert haben. Doch auch für ihn wird die Fantasie zum Rückzugsort. Die Großmutter erzählt ihm Fabeln von dem Affen, der sein trauriges Herz zu Hause lässt, wenn er Freunde besucht, um die anderen nicht zu betrüben. Das zu Hause gelassene Herz ist ein Trick, um zu überleben. Eine Metapher für die Lage der Menschen, deren Überleben nur mit List, Lug und Trug möglich ist.
Über weite Strecken liest sich der Roman wie ein Essay oder eine Vorlesung über klassische persische Literatur, doch die Schilderungen des Umsturzes und der darauffolgenden Gewalt sind dicht und mitreißend. Wenn etwa der Vater des jungen Mannes die Leute warnt, sich nicht von Gefühlen und rebellischem Eifer hinwegfegen zu lassen, sondern die Lage mit Vernunft und Verstand zu beurteilen, ist er zudem erstaunlich aktuell. Nicht umsonst war Cheheltan im „Ausnahmejahr 2020“ einer der sechs Gewinner des Internationalen Literaturpreises.
Amir Hassan Cheheltan: „Der Zirkel der Literaturliebhaber“, übersetzt von Jutta Himmelreich, C. H. Beck, 252 Seiten, 23,90 Euro
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2020)