Bilanzskandal

Ex-Wirecard-Chef Braun erlöst bei Aktienverkauf 155 Millionen Euro

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun imago images/Sven Simon
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Die Wirecard-Papiere haben binnen einer Woche mehr als 10 Milliarden Euro an Wert eingebüßt. Das trifft auch den unter Verdacht der Bilanzfälschung stehenden Markus Braun, der einen Großteil seiner Papiere verkaufen musste.

Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hat einen großen Teil seiner Aktien an dem von einem Bilanzskandal existenzbedrohten DAX-Konzern abgestoßen. In einer Serie von Verkäufen hat Braun am Donnerstag und Freitag voriger Woche insgesamt 155 Millionen Euro erlöst, wie Wirecard in mehreren Ad-hoc-Mitteilungen am Dienstagabend mitgeteilt hat.

Als Grund wurden sogenannte Margin Calls genannt, das heißt Braun war im Grunde gezwungen, die Aktien zu verkaufen.

Der im Bilanzskandal um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro als Mittäter unter Verdacht stehende Österreicher war bisher mit sieben Prozent Anteil auch größter Wirecard-Aktionär.

Der Dax-Konzern hat insgesamt knapp 123,6 Millionen Aktien im Umlauf, überschlägig hat Braun nun über fünf Millionen seiner rund 8,7 Millionen Wirecard-Papiere verkauft. Die Wirecard-Papiere haben seit Mittwochabend mehr als 10 Milliarden Euro an Wert eingebüßt, Braun selbst dürften die Kursverluste um über eine halbe Milliarde Euro ärmer gemacht haben.

Braun war am vergangenen Freitag wegen des Bilanzskandals um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zurückgetreten, die Münchner Staatsanwaltschaft hatte ihn am Montagabend festgenommen. Das Münchner Amtsgericht hat den Haftbefehl gegen hohe Auflagen außer Vollzug gesetzt. Braun muss fünf Millionen Euro Kaution hinterlegen und sich wöchentlich bei der Polizei melden. Er ist bereits auf freiem Fuss.

Marsalek möglicherweise auf Philippinen

Der gefeuerte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek hält sich möglicherweise auf den Philippinen auf. Es gebe Hinweise, dass Marsalek weiterhin im Land sein könnte, sagte der philippinische Justizminister Menardo Guevarra am Mittwoch. Informierten Kreisen zufolge droht Marsalek im Münchner Ermittlungsverfahren um den milliardenschweren Bilanzskandal des Zahlungsdienstleisters eine Verhaftung.

Guevarra erklärte, Marsalek sei vom 3. bis 5. März auf den Philippinen gewesen. "Es gibt einige Hinweise, dass er vor kurzem zurückgekehrt ist und sich immer noch hier aufhält." Die Philippinen haben kein Auslieferungsabkommen mit Deutschland.

Die Philippinen wüssten nicht, ob Wirecard in dem Land tätig sei. Aber die Behörde hätte etwas "Merkwürdiges" zu Marsalek in der Datenbank der Einwanderungsbehörde gefunden. "Lassen wir es dabei bewenden", sagte der Justizminister nur. Die Philippinen würden gegen Personen ermitteln, die in den Wirecard-Bilanzskandal verwickelt seien. Dazu gehöre auch Marsalek. Er habe die Behörden instruiert, ihre Untersuchungen zu koordinieren.

Die Philippinen spielen in dem Bilanzskandal eine zentrale Rolle. Angeblich sollten sich die verschwundenen Milliarden auf Treuhandkonten bei zwei philippinischen Banken befinden. Doch entsprechende Dokumente erwiesen sich als Fälschung. Marsalek war jahrelang die rechte Hand von Wirecard-Chef Markus Braun und verantwortete auch das Asien-Geschäft.

Banken gewähren kurzen Aufschub

Wirecard hat für seine auslaufende Kreditlinie nach dpa-Informationen für einige Tage Aufschub von den Banken erhalten. Die Institute hätten sich entschieden, zunächst die langfristige Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu prüfen, bevor sie die ausstehende Summe von 1,75 Milliarden  Euro zurückfordern, hieß es am Mittwoch in Finanzkreisen. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg entsprechend berichtet.

Die Beratungsfirma FTI ist dem Vernehmen nach im Auftrag der Kreditgeber dabei, Wirecard zu durchleuchten und möglichst viele Informationen zur finanziellen Lage des Unternehmens zusammenzutragen. Auf dieser Basis wollen die Banken dann möglichst bald die weiteren Gespräche führen, hieß es.

Deutsches Aktieninstitut: Regeln nicht verschärfen

Angesichts des Wirecard-Bilanzskandals hat das Deutsche Aktieninstitut (DAI), das die Interessen der kapitalmarktorientierten Unternehmen vertritt, vor mehr Regulierung gewarnt. "Meines Erachtens ist der Werkzeugkasten an Regulierungsinstrumenten gut gefüllt", sagte DAI-Chefin Christine Bortenlänger am Mittwoch dem Bayerischen Rundfunk.

Sie warnte davor, "jetzt die Bazooka der Regulierung" zu zücken. Kein Rechtssystem der Welt könne Betrug und Manipulation ganz verhindern.

Mit Blick auf den Bilanzskandal beim deutschen Dax-Konzern sprach Bortenlänger von einem "Wirtschaftskrimi". Zunächst müsse nun untersucht werden, ob "Wirecard betrogen wurde oder betrogen hat". Wegen des stark gesunkenen Aktienwerts schloss die DAI-Chefin nicht aus, dass Wirecard "möglicherweise kurzfristig" aus dem Deutschen Aktienindex (Dax) ausscheiden könnte.

Den Schaden für die Aktienkultur in Deutschland hält Bortenlänger dagegen für überschaubar. "Wenn wir auf den Dax oder MDax-Verlauf der letzten Tage schauen, dann bin ich zuversichtlich, dass Anleger inzwischen viel gelernt haben, dass man ein Unternehmen nicht zwangsweise mit einem anderen vergleichen kann", sagte sie. Verloren gegangen sei jedoch das Vertrauen in digitale Geschäftsmodelle. Das sei bedauerlich, weil Deutschland hier im Vergleich zu den USA Aufholbedarf habe.

Der CDU-Finanzpolitiker Matthias Hauer sieht bei der Aufklärung des Wirecard-Bilanzskandals auch das deutsche Finanzministerium in der Pflicht. Der Fall müsse politisch aufgearbeitet werden, sagte Hauer, der im Finanzausschuss des Bundestags für den Fall zuständige Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion, am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Finanzminister Olaf Scholz habe zunächst gesagt, die Aufsichtsbehörden hätten ihren Job gemacht. Diese Aussage sei nur schwer nachvollziehbar.

Die Rollen der Aufsichtsbehörde BaFin und des Finanzministeriums müssten hinterfragt werden. "Ziel muss sein, Lücken und Schwächen im Aufsichtsregime zu schließen. Ich begrüße daher, dass mittlerweile auch Finanzminister Scholz Fehler bei der von seinem Hause beaufsichtigten BaFin eingeräumt hat."

Der SPD-Politiker Scholz hatte Reuters am Dienstag gesagt, Versäumnisse bei der Aufsicht des Zahlungsverkehrsabwicklers aus dem Großraum München zu sehen. "Kritische Fragen stellen sich auch der Aufsicht über das Unternehmen, insbesondere mit Blick auf die Rechnungslegung und die Bilanzkontrolle. Hier scheinen Wirtschaftsprüfer wie Aufsichtsbehörden nicht effektiv gewesen zu sein."

(APA/Reuters/dpa)

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