Abrüstungsgespräche in Wien

APA/AFP
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Die USA stellen den New Start-Vertrag in Frage, Russland will eine Verlängerung und China lehnte ab. Experten warnen vor einem  "Rüstungswettlauf“.

Hochrangige Vertreter aus den USA und Russland haben sich am Montagfrüh zur Rettung des letzten großen atomaren Abrüstungsvertrags New Start in einem Wiener Palais getroffen. Während Washington das Abkommen in Frage stellt, drängt Moskau auf eine Verlängerung. US-Präsident Donald Trump wollte auch China am Verhandlungsstich sehen, Peking lehnte jedoch ab. Experten zeigten sich pessimistisch.

Nach dem Ende des INF-Abrüstungsabkommens über das Verbot landgestützter atomarer Kurz- und Mittelstreckenwaffen droht nun dem nächsten Abkommen das endgültige Aus. Der 2011 in Prag von den damaligen Präsidenten Barack Obama und Dmitri Medwedew unterzeichnete New-Start-Vertrag sieht vor, die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe zu verringern. Das Abkommen läuft am 5. Februar 2021 aus und könnte dann einmal auf fünf Jahre - bis 2026 - verlängert werden.

Peking  lehnt Rüstungskontrolle

Der an den Gesprächen teilnehmende Sonderbeauftragte der US-Regierung für Abrüstungsfragen, Marshall Billingslea, schloss zuletzt nicht aus, dass die USA bereit sein könnten, den Vertrag zu verlängern. Voraussetzung sei aber, dass sich Russland zu einer Rüstungskontrolle mit China verpflichte. Peking hat sich bisher gegen trilaterale Gespräche gewehrt und argumentiert, dass es weit hinter Moskau und Washington liege, die zusammen mehr als 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen besitzen.

Aber nicht nur China ist nach Angaben von Ex-Sicherheitsberater von Trump, John Bolton, ein Faktor für Washington. Neben strategischen Atomwaffen müssten von einem künftigen Vertrag auch taktische Atomwaffen sowie neuartige Hyperschall-Technologien berücksichtigt werden, berichtet Bolton in seinem neuen Buch. Zudem sollte ein neuer Vertrag einfacher gestaltet sein.

Moskau für Neuauflage

Der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow drängte kurz vor dem Beginn der Gespräche auf eine Neuauflage des Vertrags. Das wäre richtig und logisch, sagte er am Samstag laut der Agentur Interfax. "Die Vereinbarung ist aber nicht das Ein und Alles." Letztendlich werde alles von der Entscheidung der Regierung Trumps abhängen, meinte Rjabkow, der die russische Delegation in Wien leiten soll.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) sieht die Gespräche "angesichts der Spannungen, angesichts der laufenden Unterminierung der Erfolge der vergangenen Jahrzehnte im Abrüstungsbereich" als "positiv". Wien sei "immer ein Ort des Dialoges, immer ein Ort der Begegnung" gewesen, äußerte er sich vergangene Woche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas. Maas baut auf die Bundeshauptstadt: Er würde sich "wünschen, dass der Zauber dieser Stadt dazu beiträgt, dass es erfolgreiche Gespräche werden".

„Es kann in Wien schon explodieren"

Mehrere Experten und Expertinnen erwarten unterdessen keinen raschen Durchbruch der Wiener Gespräche und warnen vor einem Wettrüsten. "Es kann in Wien schon explodieren", sagte Politikwissenschafter Heinz Gärtner im APA-Interview. Während Russland ein Interesse an einer Verlängerung habe, käme US-Präsident Donald Trump ein Scheitern wahltaktisch eher gelegen.

"Sehr negative" Konsequenzen hätte ein Auslaufen des Vertrags für Europa, erklärte Generalmajor Johann Frank. Die Europäische Union sei auf dieser "Ebene überhaupt kein eigener Akteur" und "im erheblichen Ausmaß abhängig" von der "Einhaltung des Völkerrechts, eines globalen strategischen Ordnungsrahmen und von gewissen Grundregeln", betonte der frühere langjährige Direktor der Sicherheitsdirektion im Verteidigungsministerium, der die Gespräche als "grundsätzlich sehr positiv" wertete.

Aktion am Heldenplatz

Als "ermutigend" erachtet auch die Internationale Kampagne zum Verbot von Atomwaffen (ICAN) die am Montag in Wien beginnenden Gespräche. Sollte es aber bis 5. Februar keine Einigung geben, "ist es schon sehr wahrscheinlich, dass es zu einem unkontrollierten Wettrüsten kommt", warnt die Chefin von ICAN Österreich, Nadja Schmidt, im Gespräch mit der APA.

Österreichische Friedensaktivisten wollen am Montagvormittag auf dem Heldenplatz demonstrieren, um die Atommächte aufzufordern, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten ("Join the ban now"). Die Aktivisten werden zudem eine aus Papier nachgebaute Luftwaffenrakete mit dem Vorschlaghammer köpfen, "um zu zeigen, dass es möglich ist, Raketen und Atomwaffensprengköpfe auch zu entfernen."

(APA)

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