Parteifinanzen

Prozess ÖVP gegen "Falter" geht im Herbst weiter

STATEMENT SEBASTIAN KURZ (OeVP)
STATEMENT SEBASTIAN KURZ (OeVP)APA/HELMUT FOHRINGER
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Im Prozess der ÖVP gegen den „Falter“ legt die Partei „erste interne Berechnungen“ der Wahlkampfkosten 2019 vor. Die „Sommertour“ von Kanzler Kurz falle nicht unter Wahlkampf, argumentiert sie.

Pünktlich zur Verhandlung gegen die Wochenzeitung "Falter" wegen eines Berichts über ihre Wahlkampfkosten und deren Überschreitung hat die ÖVP ein - freilich nicht sehr detailliertes - Zahlenwerk vorgelegt. Demnach hat die Volkspartei die Obergrenze von sieben Millionen eingehalten. Konkret listet die ÖVP für die relevanten 82 Tage vor der Wahl vergangenen September Ausgaben von 5,6 Millionen Euro auf. Von den Rechnungsprüfern bestätigt wurde die Summe, in der unter anderem die Wahlkampfprämien für Mitarbeiter fehlen, aber noch nicht.

Die Rechnung wird nun kommende Woche von vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfern unter die Lupe genommen. Diese müssen der Darstellung der ÖVP nicht folgen, sondern können einzelne Posten doch noch dem Wahlkampfbudget zurechnen. Dann müsste das korrigiert werden, wie einer der Zeugen am heutigen Verhandlungstag, ein Buchhalter der Bundes-ÖVP, einräumte.

Stichtag für Wahlkampf war der 9. Juli

Der Medienanwalt und ehemalige „Jetzt“-Abgeordnete Alfed Noll wiederum legte zu Verhandlungsbeginn seinerseits ein Gutachten der Medien-Sachverständigen Barbara Sommerer für den unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) vor, in dem ein Überschreiten der gesetzlichen Wahlkampfkostengrenze von sieben Millionen Euro bei der Nationalratswahl 2019 vermutet wird, und beantragte ihre Einvernahme. Für sein Gegenüber, Rechtsanwalt Werner Suppan, ist das Gutachten für die Beurteilung "unbrauchbar", weil "zahlenmäßig und sachlich falsch".

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), der aufgrund seiner Funktion als damaliger Generalsekretär geladen war, machte gleich zu Beginn klar, dass er weniger für den kaufmännischen Part denn für die interne und externe Kommunikation zuständig gewesen sei. Daher sei er auch "nicht im Detail" mit der Wahlkampfkostenrechnung befasst gewesen. In der Rückschau sei aber jedenfalls ein wesentliches Thema in der Wahlkampfplanung von 2019 gewesen, dass man die Kosten nicht wie 2017 überschreiten dürfe. Unterschiedliche Positionen in der Wahlkampfrechnung erklärte Nehammer damit, dass Ausgaben, die auch in Nicht-Wahlkampf-Jahren schlagend würden, eben gemäß Parteiengesetz nicht zu den Wahlausgaben zu rechnen sind, sondern nur jene zwischen dem Stichtag (2019 war das der 9. Juli) und dem Wahltag, und da auch nur jene Kosten, die auch tatsächlich für den Wahlkampf verwendet wurden.

„Sommertour“ von Kurz kein Wahlkampf für ÖVP

Genau das nahm Noll zum Anlass, einzelne Posten zu hinterfragen. Er wollte wissen, warum Luftballons und "Wahlkampfprämien" im Budget nicht den Wahlkampfkoten zugerechnet wurden. Der ÖVP-Buchhalter erklärte das damit, dass die Prämie für die Mitarbeiter für das gesamte Jahr ausbezahlt werde - und es sich eben um ein Wahljahr gehandelt habe. Und wenn die Luftballons bereits vor Bekanntwerden der Neuwahl angeschafft wurden, dann könnten diese auch nicht dem Wahlbudget zugerechnet werden. Gleiches gelte auch für Kugelschreiber. Diese hatten kein Branding und hätten daher sowohl während als auch außerhalb des Wahlkampfes verwendet werden können. In diesem Punkt musste der Buchhalter einräumen, dass er auch von einem Wirtschaftsprüfer letztlich korrigiert worden sei.

Auch die Sommertour von ÖVP-Chef Sebastian Kurz finde in jedem Jahr statt und sei somit nach Argumentation der ÖVP daher auch nicht den Wahlkampfkosten zuzurechnen. Wie es denn mit den Sonnenbrillen und T-Shirts für die Sommertour gewesen sei, hatten diese nichts mit dem Wahlkampf zu tun, wollte Noll wissen. Diesbezüglich meinte der Buchhalter auch, dass der Abschluss 2019 eben noch nicht geprüft wurde. Wenn der Prüfer jetzt feststellt, dass die Sonnenbrillen doch Wahlaufwand sind, muss das korrigiert werden. Für die Detailfragen müsste die Prüfung daher abgewartet werden. Wie der Rechtsvertreter der ÖVP anmerkte, werden diese Posten aber "das Kraut nicht mehr fett machen". Schließlich sei man mit den rund 5,6 Millionen Euro deutlich unter der Obergrenze von sieben Millionen Euro lägen.

Nächster Termin im Oktober

Das Verfahren findet im Herbst eine Fortsetzung. Dann sollen weitere Zeugen gehört werden, unter anderem der ehemalige Pressesprecher, ein Wirtschaftsprüfer und die Medien-Sachverständige, Sommerer. Das nächste Mal treffen die Streitparteien einander am 22. Oktober.

„Falter“-Redakteur Josef Redl, der in der heutigen Verhandlung als Zeuge befragt wurde, erklärte, dass die Wochenzeitung die Unterlagen anonym zugespielt bekommen habe. Insgesamt habe der Datensatz rund 15.000 Dokumente enthalten. Man habe daraufhin ein Rechercheteam gebildet und zu recherchieren begonnen, "ob diese auch plausibel sind". Auch habe man die eigene IT-Abteilung mit einer Analyse beauftragt. Teilweise gingen die Daten aus den Bereichen Personal, Budget und Finanzen bis in die 1990er-Jahre zurück. Zum Teil habe man die Dokumente daher auch mit schon erfolgten Veröffentlichungen verglichen und auf ihre Plausibilität hin geprüft. Auch habe man darauf Rücksicht genommen, dass nicht alles von öffentlichem Interesse ist. Vor der Veröffentlichung habe man auch eine Anfrage an die ÖVP über ihren Pressesprecher gestellt.

„Gar nicht mehr Geld zur Verfügung“ 

Im Zentrum der Recherche stand dann eine Datei mit dem Titel "Budget NR-Wahl19-Ausgaben". Darin habe sich eine Tabelle mit den Spalten "Betrag Soll Wahlkampf" und "Betrag Soll-nicht Wahlkampf" befunden. Das habe er so "gelesen", dass es sich dabei um eine Budgetplanung für den Nationalratswahlkampf handle, offensichtlich teils mit Mitteln, die im Rahmen des Wahlkampfes zum Einsatz kommen, aber nicht zum Wahlkampfbudget gezählt wurden. Zudem habe man mehrere korrespondierende Unterlagen in den Daten gefunden, die dies untermauert hätten, so Redl. Darunter war etwa auch ein Rechnungseingangsbuch oder eine korrespondierende Finanzplanung, wonach die Bundespartei mit 7,6 Millionen Euro plane, exklusive der Länder und Bünde, schilderte der Falter-Redakteur. Der Schluss des inkriminierten Artikels, dass die ÖVP plane, die Wahlkampfkostenobergrenze zu überschreiten, sei deswegen nahe liegend gewesen. Eine Rolle habe auch gespielt, dass dies in den Jahren 2013 und 2017 der Fall war.

Der aktuelle Generalsekretär der ÖVP, Melchior, hatte im Zuge seiner Aussage zuvor betont, dass der klare Auftrag Kurz' an ihn gewesen sei, die Wahlkampfkostengrenze nicht zu überschreiten. "Ich hätte auch gar nicht mehr Geld ausgeben können, weil wir nicht mehr zur Verfügung hatten." Daher habe man auch aus der "Not eine Tugend" gemacht und einen "kostengünstigen und sparsamen Wahlkampf" organisiert, einen sogenannten "Grassroots-Wahlkampf". Folglich habe man auch auf aufwendige Radio-und Fernsehspots verzichtet. Auch Melchior betonte, dass der Posten "Luftballons" quasi zum "laufenden Betrieb, zur Grundausstattung" gehörte. Die Sonnenbrillen wiederum seien bei der Sommertour zum Einsatz gekommen, die nicht dem Wahlkampf zuzurechnen sei. Melchior betonte, dass er überzeugt sei, dass die vom Rechnungshof bestellten Wirtschaftsprüfer die vorgelegte Wahlkostenabrechnung bestätigen werden.

Zudem hielt er fest, dass es "nicht die Art der ÖVP" sei, Medien wegen deren Berichterstattung zu klagen, dass man sich aber in diesem Fall ungerecht behandelt gefühlt habe. Schließlich habe man "alles unternommen, um die Wahlkampfkosten einzuhalten", so Melchior: "Die Berichterstattung hat uns damals wirklich hart getroffen." Wenn der „Falter“ damals die Dokumente vorgelegt hätte, "hätten wir das in kürzester Zeit aufklären können", meinte Melchior. Das sei aber unterblieben.

(APA)

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