Morgenglosse

Atomares Wettrüsten: Geht es ab 2021 wieder richtig los?

Derzeit dominiert in Washington eine Politik der Unvernunft. Moskau versucht dies zu nutzen, Peking kann sich leicht aus dem Duell heraushalten.

Weltpolitik, da hat die chinesische Botschaft in Wien gar nicht so unrecht, ist unter der Regentschaft von Präsident Donald Trump zu einer Art „Performancekunst“ verkommen. Anders ist nicht zu erklären, dass die US-Delegation beim gestrigen Beginn der amerikanisch-russischen Verhandlungen über eine Verlängerung des neuen Vertrages zur Reduzierung der strategischen Atomwaffen (New Start) im Palais Niederösterreich chinesische Nationalflaggen vor vier leeren Stühlen aufstellte und der US-Delegagtionsleiter Marshall Billingslea aus der Wiener Herrengasse twitterte: „China ist eine No Show.“ Die Volksrepublik verstecke ihre nukleare Aufrüstung hinter „großen Mauer der Geheimhaltung“.

Ein paar Dinge zur Klarstellung: New Start ist eine bilaterale Vereinbarung zwischen den USA und Russland, die beiden Staaten verfügen ja auch immer noch über 90 Prozent der Atomwaffenarsenale in der Welt. China hat derzeit rund 300 Kernsprengköpfe – etwa so viele wie Frankreich. Schon wahr, die Volksrepublik modernisiert und vergrößert ständig ihre Nuklearwaffen, ebenso wie das auch Indien, Pakistan, Nordkorea, Russland und die USA selbst auch tun. Wollte man tatsächlich ein globales System für die nukleare Rüstungskontrolle anstreben, müssten auch diese Länder, ebenso wie Frankreich, Großbritannien und Israel zu Verhandlungen eingeladen werden, das ebenfalls bereits über 200 oder noch mehr Atomwaffen verfügt.

Natürlich würde Israel da niemals mitmachen, es gibt ja nicht einmal zu, dass es Kernwaffen besitzt. Auch die anderen Atomwaffenstaaten haben keinerlei Interesse, über ihre Nuklearwaffen zu verhandeln – immer auch mit dem Hinweis, dass zuerst einmal die beiden Großen atomar abrüsten müssten. Und dass die aufstrebende Supermacht China sich nicht vom neuen besten Feind USA in seiner militärischen Aufrüstung aufhalten lässt, ist irgendwie auch verständlich. Die Trump-Regierung weiß das natürlich, deshalb greift sie zu Show-Einlagen mit kleiner Fähnchen, schließlich gilt es, China zu diskreditieren.

Eine Politik der Vernunft wäre es für die USA, den New Start Vertrag als letzten Pfeiler der strategischen Rüstungskontrolle um fünf Jahre zu verlängern und gleichzeitig Verhandlungen über alle nicht-strategischen Atomwaffen aufzunehmen, die derzeit für so großes Misstrauen zwischen Washington und Moskau sorgen. Wäre der gute Wille der beiden Großen zu nuklearer Abrüstung und nicht nur ein Hang zur Showpolitik klar erkennbar, wären dann vielleicht auch andere Atommächte bereit, sich an Gesprächen über ein globales Rüstungskontrollsystem zu beteiligen.

Nur, derzeit dominiert in Washington eine Politik der Unvernunft. Moskau versucht dies gekonnt für eigene Zwecke zu nutzen und Peking kann sich leicht aus dem Duell heraushalten. Im Moment deutet deshalb Vieles darauf hin, dass ab Februar 2021 alle Schleusen für einen globalen atomaren Rüstungswettlauf wieder weit geöffnet sein könnten

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