Tönnies-Fleischfabrik

Das Comeback des Lockdowns in Deutschland

In einem Wohnhaus bei Rheda-Wiedenbrück testen Mitarbeiter des Roten Kreuzes auf Sars-Cov-2.
In einem Wohnhaus bei Rheda-Wiedenbrück testen Mitarbeiter des Roten Kreuzes auf Sars-Cov-2.APA/dpa/David Inderlied
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Im Kreis Gütersloh gilt bis zum 30. Juni eine Kontaktbeschränkung. Hintergrund ist „das größte einzelne Infektionsgeschehen in Deutschland“ ausgehend vom Fleischverarbeiter Tönnies mit über 1500 Corona-Infizierten.

Das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen zieht Konsequenzen aus dem größten einzelnen Corona-Ausbruch in Deutschland. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet verhängte am Dienstag einen Lockdown über den gesamten Kreis Gütersloh mit rund 370.000 Menschen. Dort hatten sich über 1500 Mitarbeiter eines Schlachthofs des Fleischverarbeiters Tönnies mit dem Virus infiziert.

"Wir führen wieder eine Kontaktbeschränkung wie im März ein", sagte Laschet in Düsseldorf. Diese solle bis zum 30. Juni gelten. In dieser Zeit soll verstärkt im Kreis getestet werden, um Klarheit zu erhalten, ob das Virus auf die Bevölkerung abseits des Schlachthofs übergegriffen hat. Ein Reiseverbot verfügte Laschet indes nicht. Das Robert-Koch-Institut (RKI) erwartet, dass die Menschen sich auch in den nächsten Monaten auf ein Leben mit Einschränkungen einstellen müssen. Man werde das Virus kontinuierlich im Land haben, lokale Ausbrüche werde es wohl weiter geben.

Ausbruch mit „enormem Pandemie-Risiko"

"Wir haben es im Kreis Gütersloh mit dem bisher größten einzelnen Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland zu tun", sagte Laschet. Der Ausbruch berge "ein enormes Pandemie-Risiko". 1553 Mitarbeiter des Tönnies-Schlachthofs seien positiv auf das Virus getestet worden, Zentrum innerhalb des Schlachthofs sei die Fleischzerteilung mit besonders harten Arbeitsbedingungen gewesen. Neue Fälle könne es aber auch im familiären Umfeld der Mitarbeiter geben. Deshalb sei die Zahl der Infizierten wohl höher. Außerhalb des Umfelds des Schlachtbetriebs gebe es nur 24 Infizierte. Der Ausbruch war in der vergangenen Woche bekanntgeworden.

Grillen im öffentlichen Raum werde wieder untersagt, Bars und "gastwirtschaftliche Thekenbetriebe" geschlossen. Ein "Ausreiseverbot" für Bürger des Kreises gebe es aber nicht. Sie könnten ihren Urlaub planen, hieß es.

Bayern verbietet Beherberung

Angesichts des massiven Corona-Ausbruchs in Güterslo untersagt Bayern die Beherbergung von Menschen, die von dort und aus anderen schwer betroffenen Landkreisen in das südliche Bundesland einreisen. Das teilte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) nach einer Kabinettssitzung am Dienstag in München mit.

Beherbergungsbetriebe in Bayern dürfen künftig keine Gäste mehr aufnehmen, die aus einem deutschen Landkreis einreisen, in dem die Zahl der Neuinfektionen in den zurückliegenden sieben Tagen bei mehr als 50 pro 100.000 Einwohner liegt. "Das ist eine Schutzmaßnahme, die wir für wirklich notwendig halten", sagte er. Eine Ausnahme gibt es nur für Menschen, die einen aktuellen negativen Corona-Test vorweisen können.

Schadenersatz-Ansprüche werden geprüft

Rund 7000 Tönnies-Mitarbeiter befinden sich bereits in Quarantäne, für 50.000 Kinder seien Schulen und Kindertagesstätten geschlossen, Tests seien beschleunigt worden, sagte Laschet. Jetzt gehe es auch darum, das Einhalten der Quarantäne sicherzustellen: "Zur Not müssen die Behörden auch mit Zwang diese Maßnahmen durchsetzen." Fragen des Schadenersatzes gegen die Firma Tönnies könnten nach der Krise geprüft werden.

Ein Ausbruch in einem Ausmaß wie bei Tönnies ist laut Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) in Österreich nicht möglich, "die Bedingungen sind mit jenen in Deutschland nicht vergleichbar". Dennoch will Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Anfang Juli auch in heimischen Schlachthöfen vermehrt testen. Von Fleischprodukten selbst gehe generell keine Corona-Gefahr aus. Testungen in Österreich forderte auch SPÖ-Obfrau Pamela Rendi-Wagner. "Ein 'Fall Tönnies' muss in Österreich verhindert werden."

Weltweit breitet sich das Virus weiter aus. Rund um den Globus haben sich nach Reuters-Daten auf Basis offizieller Angaben mehr als 9,1 Millionen Menschen nachweislich angesteckt. Insgesamt 472.300 Patienten starben an oder mit dem Virus. Die meisten Infektionsfälle verzeichnen die USA, Brasilien und Russland. Die Weltgesundheitsbehörde (WHO) befürchtet, dass sich tatsächlich weit mehr Menschen mit dem Virus angesteckt haben als bekannt.

(APA/Reuters/dpa)

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