Psychiater: Serienkiller nicht auszuschließen

(c) Clemens Fabry
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Der Fund einer verbrannten Frauenleiche auf einem Feld im burgenländischen Nickelsdorf wirft Fragen auf. Falls hinter den Morden derselbe Täter steckt, ist laut dem Experten Haller bald mit dem nächsten zu rechnen.

„Die Presse“: Herr Haller, eine Leiche wurde mitten am Nachmittag auf einem Feld angezündet und brannte noch, als die Polizei kam. Haben wir es mit einem leichtsinnigen oder kaltblütigen Täter zu tun?

Reinhard Haller: Eher das Letztere. Einen Menschen anzuzünden, auch wenn er tot ist, da gehört Kaltblütigkeit dazu.

Aber die Leiche am Tag anzuzünden, wenn das Risiko besteht, dass man beobachtet wird, ist doch nicht schlau, oder? Außerdem ließ der Täter den markanten Kettenanhänger und die Uhr des Opfers zurück.

Haller: Erstens: Wann sieht man ein Feuer besser – am Tag oder in der Nacht? Und zweitens geht es beim Verbrennen nicht nur darum, die Identität des Opfers zu verschleiern und so die Ermittlungen zu erschweren, sondern auch darum, eigene biologische Spuren zu verwischen. Was man sicher sagen kann, ist, dass es kein Raubmord war und dass es wohl relativ rasch gegangen ist und der Täter deshalb nicht auf Details geachtet hat.

Insgesamt ist das die fünfte verbrannte Frauenleiche in fünf Jahren. Zufall oder Serie? Sie selbst haben nach dem vierten Fall im Mai dieses Jahres gemeint, Sie fühlen sich an Jack Unterweger erinnert.

Haller: Wenn die Frau eine Prostituierte war, ist es einfach. Es gibt in Österreich pro Jahr statistisch 0,5 bis einen Prostituiertenmord. Werden es mehr, muss man mit der Möglichkeit rechnen, dass es derselbe Täter war.

Derzeit verbindet die Fälle das Verbrennen der Leiche. Hat Verbrennen denn eine Bedeutung, die über „pragmatische Erwägungen“ hinausgeht?

Haller: Tatsächlich ist es eine relativ häufige Methode, es deutet auch auf eine gewisse „Professionalität“ hin. Ich persönlich glaube nicht, dass der Täter damit eine Handschrift zeigen will oder dass es rituell ist. Es ist jetzt die Aufgabe der Tatortanalytiker, die Details der Fälle zu vergleichen und zu schauen, ob es bei der „Sprache des Verbrechens“ Gemeinsamkeiten gibt.

Sie sind in die aktuellen Ermittlungen nicht eingebunden, aber wonach sieht es denn für Sie aus?

Haller: Als Kriminologe muss man sich hüten, sich vorzeitig festzulegen, sonst verliert man andere Spuren aus dem Auge. Ich glaube, man muss die Möglichkeit eines Serienkillers bedenken, zwar nicht ausschließlich, aber ganz massiv.


Wie die Polizei betont, gibt es zwischen den Fällen viele Unterschiede. Die meisten Frauen wurden erschlagen, eine aber erstochen, eine erschossen. Einer wurde ein Ohr abgeschnitten, einer die Hände. In manchen Fällen weiß man, dass es Prostituierte waren, im aktuellen gibt es widersprüchliche Angaben. Außerdem war die Frau jetzt mit 50 Jahren auch älter. Kann trotzdem ein einziger Täter dahinterstecken?

Haller: Es ist untypisch, aber möglich. Zu den Prostituierten muss man generell sagen, dass sie hochgradig gefährdet sind, weil sie immer verfügbar sind und bereit, zu einem Fremden ins Auto zu steigen.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen Nachahmungstäter handelt, der ein Beziehungsdelikt verschleiern will?

Haller: Die Botschaft, dass Verbrennen Ermittlungen erschwert, hat sicher potenzielle Täter erreicht.

Was auffällt, ist, dass alle Fundorte in relativer Grenznähe sind und die Opfer, soweit man sie identifiziert hat, aus dem Ausland stammen. Muss man einen europaweit tätigen Mörder in Betracht ziehen?

Haller: Ist es ein Serienkiller, dann wäre das nur natürlich. Hohe Mobilität ist eines ihrer Kennzeichen.


Wenn wir von einem Serienmörder ausgehen, wären die Abstände zwischen den Morden rückblickend immer kürzer geworden. Bedeutet das, es wäre dann künftig eine noch raschere Abfolge zu erwarten?

Haller: In der Regel ist das so, ja.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2010)

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