Die "Horror-Show" der Nummer eins

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Erst kritisiert, nun infiziert: Auch Novak Djoković ist positiv auf das Coronavirus getestet worden. Von strengen Schutzmaßnahmen wollte der Serbe auf seiner Adria-Tour nichts wissen.

Belgrad/Wien. Wirklich anfreunden konnte sich die Tenniswelt mit ihrer aktuellen Nummer eins nie. Spektakulärste sportliche Leistungen hin oder her – das Auftreten von Novak Djoković war den Fans stets ein wenig zu selbstbewusst, zumal es der 33-jährige Serbe auf die Rekorde der Allzeitgrößen und Publikumslieblinge Roger Federer und Rafael Nadal abgesehen hat.

In der Corona-Zwangspause der ATP-Tour hat Djoković nun allerhand getan, um sein Image weiter zu ramponieren. Erst bekannte er sich als Impfgegner und verbreitete über Instagram sein esoterisches Weltbild, dann verärgerte er in seiner Rolle als Präsident des ATP-Spielerrats, weil er an einer Videokonferenz von 400 Profis nicht teilnahm. In Marbella war er außerdem zu früh auf den Trainingsplatz zurückgekehrt – ein Verstoß gegen die Corona-Regeln. Auch Djoković' Familie sorgte für Kopfschütteln. Ehefrau Jelena teilte Corona-Verschwörungstheorien in den Sozialen Medien, Vater Srdjan legte Roger Federer das Karriereende nahe („Geh Skifahren“).

Mit seiner Adria-Tour hat Djoković nun für einen Skandal gesorgt, der weit über den Tennissport hinausgeht. Die Charity-Turnierserie – eine Privatveranstaltung abseits der ATP-Tour – hatte mit Bildern von ausverkauften Stadien in Belgrad und Zadar erstaunt, als Organisator lud Djoković seine Mitstreiter zu Fußball- und Basketballspielen und Disco-Nächten. Hygieneregeln, Abstand, Masken, ein Hauch Hausverstand – alles inexistent.

Die Ernüchterung

Nun hat man es schwarz auf weiß: Vier der teilnehmenden Profis (und zwei ihrer Betreuer) wurden bisher positiv auf Covid-19 getestet. Grigor Dimitrow, Borna Ćorić, Viktor Troicki (sowie dessen schwangere Ehefrau) – und, das wurde Dienstagnachmittag bekannt, auch Djoković. Dominic Thiem, der die Adria-Tour in Belgrad gewonnen hat, ist auch nach seinem vierten Corona-Test negativ, erklärte der Vater des Weltranglistendritten im Radiosender Ö3.

Djoković wurde in Belgrad getestet. „Mein Ergebnis ist positiv, genau wie das von Jelena, während die Ergebnisse unserer Kinder negativ sind“, teilte der Serbe mit. Er habe keine Symptome. „Jeder einzelne Infektionsfall tut mir sehr leid.“

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Die Einsicht von Djoković kommt spät. Bisher hatte er sämtliche Vorwürfe zurückgewiesen. Alle geltenden Regeln seien eingehalten worden. Aber das muss nicht viel heißen: Auch das Belgrader Fußball-Derby zwischen Partizan und Roter Stern ging im Juni mit 20.000 Fans über die Bühne.

In Kroatien hingegen ist der Adria-Tour-Stopp in Zadar inzwischen ein Politskandal. Corona-Schutzmaßnahmen sollen ignoriert worden sein, berichten lokale Medien. Premier Andrej Plenković unterzog sich einem Covid-Test, nachdem er auf vollen Tribünen ein Spiel mitverfolgt und sich mit Djoković getroffen hatte. Plenković hat sich nicht infiziert, die Epidemiologen haben nun aber alle Hände voll zu tun, die Kontaktpersonen der infizierten Tennisprofis aufzutreiben. Bisher wurden knapp 100 Menschen in die Selbstisolierung geschickt, darunter auch der Bürgermeister von Zadar.

"Nicht so diszipliniert"

Der Manager des positiv getesteten Dimitrow hat derweil Versäumnisse eingeräumt. „Wir waren nicht so diszipliniert, wie es sein musste“, sagte Georgi Stoimenow im bulgarischen Fernsehen. Dimitrow erhole sich. Der 29-Jährige hatte nach dem Turnier seine bulgarische Geburtsstadt Haskowo besucht, dort werden nun alle Kontaktpersonen getestet – auch viele Kinder, mit denen er sich dort fotografieren ließ. 19 Menschen wurden nach einem Bericht des bulgarischen Staatsradios unter Quarantäne gestellt.

Djordje Djoković, Bruder von Novak und Eventdirektor des Belgrader Tour-Stopps, sprach gegenüber dem serbischen Prva Televison von einem „worst case scenario“. Mittlerweile wurde die Adria-Tour abgebrochen.

Murray: "Kein guter Eindruck"

Der Brite Andy Murray ist der erste Tennisstar, der öffentlich vortritt und Djoković anprangert. „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Novak. In der Nachbetrachtung allerdings macht das, was da passiert ist, aber keinen guten Eindruck“, sagte Murray der „Times“. „Es ist wichtig, dass Top-Athleten zeigen, dass wir das ernst nehmen“, sagte Murray. Der brasilianische Doppel-Spezialist und ATP-Spielerrat Bruno Soares fasste das Geschehen als „Horror-Show“ zusammen.

Die ATP-Tour soll am 14. August in Washington wieder beginnen. Ab dem 31. August sind die US Open in New York geplant. Djoković hatte angedeutet, das Grand-Slam-Turnier ob der strengen Hygieneregeln – keine Zuschauer, alle Spieler im Flughafen-Hotel, reduzierter Betreuerstab – überhaupt auszulassen.

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