Luftfahrt

Lufthansa hat Plan B bei Scheitern des Rettungspakets

APA/dpa/Boris Roessler
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Die deutsche Regierung könnte 20-Prozent-Anteil an der AUA-Mutter auch ohne HV-Beschluss erhalten: Ein Teil einer Kapitalspritze könnte aus regulärerer Kapitalerhöhung kommen. Am Donnerstag schlägt die Stunde der Wahrheit.

Die AUA-Mutter Lufthansa hat nach Informationen aus Verhandlungskreisen bei einem Scheitern des staatlichen Rettungspakets auf der Hauptversammlung einen alternativen Plan entworfen, um eine drohende Insolvenz zu verhindern. Die deutsche Regierung könnte als Plan B in zwei Schritten zu einem Anteil von 20 Prozent an der Lufthansa kommen, ohne dass eine Hauptversammlung (HV) notwendig wäre, erklärte eine mit den Überlegungen vertraute Person am Mittwoch gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Das wäre ein Weg, auf dem der Staat ohne Zustimmung des Großaktionärs zu 20 Prozent kommen könnte", ergänzte der Insider aus dem Umfeld der Lufthansa. Das Unternehmen wollte sich dazu nicht äußern.

Das neun Milliarden Euro schwere Rettungspaket des Staats für die durch die Coronakrise angeschlagene Lufthansa braucht vor allem wegen der geplanten Kapitalerhöhung zum Einstieg des Bundes am Donnerstag einen HV-Beschluss mit Zweidrittelmehrheit. Großaktionär Heinz Hermann Thiele hatte den Plan kritisiert und könnte ihn mit seinem 15,5-prozentigen Anteil mit einer Ablehnung zu Fall bringen.

Die Kapitalerhöhung würde dem Insider zufolge aufgeteilt: Die ersten zehn Prozent könnte der Bund exklusiv aus genehmigtem Kapital zum geplanten Bezugspreis von 2,56 Euro bekommen. Die restlichen zehn Prozent kämen aus einer weiteren regulären Kapitalerhöhung, an der alle Aktionäre teilnehmen könnten, zusammen. Der Bezugspreis wäre dann zwar höher. Der Bund könnte die Preisdifferenz aber durch Abzug des Betrages von der Stillen Beteiligung von der Lufthansa zurückbekommen. "Der Bund könnte dann mit diesem Anteil womöglich keinen Gewinn machen", ergänzte der Insider. Der Plan sei bisher nicht mit der deutschen Regierung abgestimmt.

Thiele will „nichts blockieren"

Am Donnerstag ab 12.00 Uhr richten sich alle Blicke  auf den Selfmade-Milliardär Heinz Hermann Thiele, der als größter Aktionär mit einem Anteil von 15,5 Prozent den Staatseinstieg alleine verhindern könnte. Grund ist die geringe Beteiligung von weniger als 38 Prozent der Stimmrechte an der im Internet stattfindenden Aktionärsversammlung, die Thiele an diesem Schicksalstag eine Sperrminorität verschafft.

Thiele hatte beklagt, dass das Lufthansa-Management intensiver über die Bedingungen des Rettungspakets hätte verhandeln können. In einem viel beachteten Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) hat er den geplanten starken Staatseinfluss ebenso kritisiert wie die seiner Meinung nach kaum zu erfüllenden Bedingungen für einen Wiederausstieg. Seine Entscheidung hat der Industrielle (Knorr-Bremse, Vossloh) auch nach einem Gespräch mit den Ministern Olaf Scholz und Peter Altmaier am Montag offen gelassen, aber bereits in der FAZ betont, dass er sich langfristig engagieren und "nichts blockieren" wolle.

Mit rund 300 Millionen Euro ist die Aktienbeteiligung eigentlich der kleinste Part des 9 Milliarden Euro schweren Rettungspakets, aber für die Alt-Aktionäre der einzige Hebel. Schließlich würden ihre Anteile durch die neuen Aktien für den Bund verwässert.  Ohne die Beteiligung wäre aber auch das gesamte Rettungspaket samt stiller Einlage und KfW-Kredit gestorben.

Fondsgesellschaften wie DWS und Union Investment wollen daher für die Kapitalmaßnahme stimmen, denn im Fall einer Pleite droht der Totalverlust. Auch die Deka-Nachhaltigkeitsexpertin Vanessa Golz erklärt: "Uns Aktionären bleibt nichts anders übrig, als der Kapitalerhöhung für den Einstieg des Staates zähneknirschend zuzustimmen. Ansonsten wäre der Kranich kein Vogel mehr."

Obwohl Thieles Widerstand gegen den Staatseinstieg seit Tagen im Raum steht, erwarten Anleger offenbar, dass die Rettung irgendwie gelingt. Der Kurs der Lufthansa-Aktie, der in der Coronakrise seit Mitte Februar zeitweise um mehr als die Hälfte auf nur noch gut sieben Euro abgestürzt war, pendelte zuletzt zwischen neun und zehn Euro. Damit war der vor wenigen Tagen in den MDax abgestiegene Konzern an der Börse gerade noch um die 4,5 Milliarden Euro wert - weniger als die Hälfte des geplanten Hilfspakets und weniger als das, was der Staat über neue Aktien und stille Beteiligungen an Eigenkapital zuschießen will.

Kahlschlag bei Pleite befürchtet

In Branchenkreisen wird aber spekuliert, dass Thiele den verborgenen Plan verfolgen könnte, seinen Einfluss bei Lufthansa in einer Insolvenz noch auszubauen. Allein oder mit Partnern könnte er nach einem von ihm verhinderten Staatseinstieg einen Massekredit über mehrere Milliarden Euro anbieten. Damit könnte Thiele entscheidenden Einfluss auf das weitere Schicksal des Konzerns gewinnen, meint unter anderen Analyst Mark Manduca von der Citigroup. Der Profit würde sich für den 79 Jahre alten Thiele bestenfalls sehr langfristig einstellen - nach einer harten Sanierung des Kranich-Konzerns und einer Abspaltung der profitablen Wartungssparte Lufthansa Technik.

Der Konzern hat sich nach Worten von Vorstandschef Carsten Spohr auf ein mögliches Scheitern des Rettungsplans vorbereitet. "Der Vorstand wird, falls die Stabilisierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, versuchen, ein sogenanntes Schutzschirmverfahren zu beantragen", heißt es in der Einladung zur Hauptversammlung. Unbedingt verhindert werden soll der abrupte Stopp des Flugbetriebs, das "Grounding". Über notwendige Überbrückungskredite will Spohr dann schnell erneut mit dem Staat sprechen.

Der Schutzschirm ist die mildeste Form einer Insolvenz nach deutschem Recht und bereits beim Ferienflieger Condor erprobt. Er gäbe dem weiter amtierenden Management freie Hand, sich kostspieliger Verträge mit Lieferanten, Dienstleistern, Vermietern und auch mit dem eigenen Personal zu entledigen. Auch die Passagiere müssten um die Erstattungen für bereits bezahlte Tickets bangen. Der Konzern mit 138.000 Beschäftigten hat zudem nach eigener Einschätzung 22.000 Stellen zu viel an Bord. Bis jetzt soll das Problem noch einvernehmlich gelöst werden, wobei sich die Verhandlungen über Sparbeiträge des Personals hinziehen.

Die Arbeitnehmer fürchten bei einer Pleite einen Kahlschlag. Nicht umsonst haben die Gewerkschaften nach eigenen Angaben allein für das fliegende Personal in Deutschland Einsparungen im Wert von mehr als einer Milliarde Euro angeboten, wenn es dafür Jobsicherheiten gibt. Verdi-Vize Christine Behle warnte: "Eine Insolvenz würde die Beschäftigtenstrukturen der Lufthansa zerstören und das öffentliche Vertrauen in die Lufthansa nachhaltig beschädigen. Mit der staatlichen Hilfe können Arbeitsplätze erhalten und Einkommen gesichert werden".

(APA/Reuters/dpa)

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