Reaktionen: "Doppelte Standards" versus "Chance"

In Russland ist der Spruch des IGH über die Unabhängigkeit des Kosovo auf scharfe Kritik gestoßen. Die USA und europäische Staaten begrüßen das Urteil.

Die deutsche Regierung sieht sich durch die Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes (IGH) über die rechtmäßige Unabhängigkeit des Kosovo in ihrer Haltung bestätigt. "Es stützt unsere Sicht, dass die Unabhängigkeit der Republik Kosovo und ihre territoriale Integrität unabweisbare Fakten sind", erklärte Außenminister Guido Westerwelle am Donnerstag. Er mahnte Serbien und den Kosovo zur Zusammenarbeit. "Jetzt sind Politik und Dialog gefragt. Die Zukunft Serbiens und Kosovos liegt in der EU."

US-Vizepräsident Joseph Biden hat Belgrad zur "konstruktiven Lösung praktischer Fragen mit dem Kosovo" aufgefordert. Der US-Sender "Radio Free Europe" berichtete am Donnerstag auf seinem Internetportal, dass Biden kurz vor der Veröffentlichung des IGH-Rechtsgutachtens zur Unabhängigkeit des Kosovo mit dem serbischen Präsidenten Boris Tadic telefonierte. Dabei habe Biden die volle Unterstützung der USA für einen demokratischen und multiethnischen Kosovo bekräftigt. Er habe auch die Unterstützung Washingtons für die Souveränität und territoriale Einheit des Kosovo bekräftigt, so der Sender unter Berufung auf eine Aussendung des Weißen Hauses.

In Russland ist der Spruch IGH auf scharfe Kritik gestoßen. Das Gutachten des höchsten UNO-Rechtsorgans sei "ein typisches Beispiel für doppelte Standards", sagte der Vizechef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma (Parlament), Leonid Kalaschnikow, am Donnerstag nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau.

Die Schweiz, wo viele Kosovo-Albaner leben, begrüßte die IGH-Expertise. Die Schweiz hatte die Unabhängigkeit des Kosovo zehn Tage nach deren Ausrufung am 17. Februar 2008 anerkannt. "Wir betrachten das Gutachten als Chance für alle interessierten Kreise, einen Dialog aufzunehmen, um offenen Fragen, die sich aus der Unabhängigkeit des Kosovo ergeben, einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen", erklärte das Außenministerium in Bern laut Agentur sda.

Positiv auf das IGH-Gutachten reagierte auch Slowenien, während dessen EU-Ratsvorsitz die kosovarische Unabhängigkeitsausrufung im Februar 2008 erfolgte. "Mit der Veröffentlichung des Gutachtens ist ein Schritt getan worden, der positive Fortschritte in den Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina (Pristina) ermöglichen wird." Die Unabhängigkeit des Kosovo sei "eine unzweifelhafte Tatsache, die nicht verändert werden kann", betonte das Laibacher Außenministerium in einer Aussendung.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen betonte unterdessen in einer Aussendung: Die IGH-Expertise habe keinen Einfluss auf die Nato-geführte Schutztruppe KFOR im Kosovo. KFOR werde weiterhin ihr Mandat erfüllen, unparteiisch ein sicheres Umfeld im Kosovo zu gewährleisten - für die albanische Mehrheit genauso wie für die Minderheiten.

(Ag.)

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