Nach dem Auftritt des ÖVP-Kanzlers im U-Ausschuss steht fest: Seine SMS muss er nicht ans offizielle Archiv liefern. Sie seien kein Schriftgut im Sinne des Archivgesetzes. Dasselbe gilt für Social-Media-Beiträge.
Dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) regelmäßig seine SMS löscht, ist rechtlich kein Problem: Die Kurznachrichten stellen kein Schriftgut im Sinne des Archivgesetzes dar, müssen also auch nicht ans Staatsarchiv übergeben werden, wie dessen Generaldirektor, Helmut Wohnout, am Donnerstag erklärte
Die Aussage des Kanzlers im Ibiza-Untersuchungsausschuss, wonach er aus Sicherheitsgründen öfter mal seinen SMS-Nachrichtenverlauf löscht, hatte zuletzt für Aufregung gesorgt. Hintergrund: Die Abgeordneten der Opposition und auch der Grünen hätten gerne seine Chat-Konversation mit Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (damals FPÖ) und auch seinen Terminkalender als Beweisstücke.
Dass Kurz seine Kurznachrichten löscht und sie damit für die Nachwelt verloren sind, ist zumindest aus Sicht des Archivgesetzes kein Thema. Grundsätzlich müssen Unterlagen eines Ministeriums bei Ausscheiden des Ressortchefs dem Staatsarchiv "unverzüglich" übergeben werden (außer sie überlassen die Dokumente dem Nachfolger). Im Denkmalschutzgesetz ist dabei definiert, welches "Schriftgut" gemeint ist, nämlich "schriftlich geführte oder auf elektronischen Informationsträgern gespeicherte Aufzeichnungen aller Art wie Schreiben und Urkunden (...)". Ausdrücklich von der Vorlagepflicht ausgenommen sind laut Bundesarchivgesetz "persönliche Unterlagen wie beispielsweise Aufzeichnungen und Notizen".
Auch Telefonate müssen nicht dokumentiert werden
Ob konkret ein Kalender vorgelegt werden müsste oder dieser eine persönliche Aufzeichnung darstellt, sei durch das Gesetz nicht geklärt, befand Wohnout. Kurznachrichten fallen nach Ansicht des Generaldirektors nicht unter die Vorlagepflicht: "Ein SMS stellt kein Schriftgut im Sinne des Archivgesetzes dar, weil es am ehesten als Aufzeichnung und Notiz zu werten ist", meinte er. So müssten ja auch amtliche Telefonate nicht dokumentiert werden.
Social-Media-Beiträge etwa auf Facebook sind von der Archivierungspflicht übrigens ebenfalls nicht umfasst. Das Bundesarchivgesetz ist im Jahr 2000 in Kraft getreten, kann also gar nicht auf dem aktuellen technischen Stand sein. Im April 2019 gab es im Nationalrat einen einhellig unterstützten Entschließungsantrag, wonach das Staatsarchiv auch digitale Äußerungen etwa von Bundespräsident oder Bundeskanzler in den sozialen Medien, die diese während ihrer Amtszeit tätigen, für die Nachwelt bewahren soll - dies ist aber nur eine Willensäußerung der Fraktionen, eine gesetzliche Regelung gibt es bisher noch nicht.
Ob ein Ministerbüro alle Unterlagen vollständig und korrekt liefert, kann das Staatsarchiv im Übrigen nicht nachprüfen. Man übernehme das Schriftgut in versiegelter Form, erläutert Wohnout. Ganze 25 Jahre lang hat auch das Staatsarchiv kein Recht, Einsicht zu nehmen - das hat nur das frühere Regierungsmitglied selbst. Dies passiere auch immer wieder, erzählt Wohnout, etwa wenn ein früherer Minister als Auskunftsperson in einen U-Ausschuss geladen ist. Die Unterlagen werden dann wieder in Anwesenheit des Betroffenen versiegelt. Erst nach 30 Jahren werden die Dokumente für die "Nutzung", also für Forscher, zugänglich.
(APA)