Kolumne zum Tag

Anordnen und verhandeln

(c) APA/HARALD SCHNEIDER
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Die Eigenverantwortung feiert mit dem Babyelefanten und dem Hamsterkauf eine Coronaparty.

Sie haben das Vokabular von 2020 geprägt, auch wenn das Jahr erst halb um ist und keiner weiß, was vielleicht noch alles kommt. Immerhin dachten wir zu Silvester auch, dass es ein besonders schönes Jahr werden würde.

Die Eigenverantwortung stellt uns jedenfalls auf eine harte Probe, ist sie doch nur großartig, wenn es ums Zulassen geht, und weniger erhebend bei Verzicht. Wenn man etwa um 23 Uhr spontan eine deftige Brettljause herrichtet, um diese in Eigenverantwortung allein aufzuessen, versucht man, den nächsten Morgen einfach mit Würde zu tragen. Es ist im Gegensatz wesentlich schwieriger, spätnachts verantwortungsvoll auf eine weitere Folge der Lieblingsserie zu verzichten, um den nächsten Tag frisch und munter zu bestreiten.

Kindern die Eigenverantwortung bei schulischen Dingen zu überlassen, nicht aber dabei, ab welchem Ausmaß an Unsinn auf TikTok-Folgeschäden auftreten könnten, ist ebenso eine Gratwanderung. In beiden Fällen schafft man es als Eltern nicht, langfristig zuzusehen, reißt die Verantwortung wieder an sich und springt helfend (Schule) und schreiend (TikTok) ein.

Die Coronakrise hat auch zwischen mittleren und älteren Generationen zu einer fast amüsanten Umkehr der Pädagogiklehren geführt. Die meisten Kinder der Generation Anordnungspädagogik erziehen die eigenen in einer Art Verhandlungspädagogik, was die Großeltern zwar oft nobel schweigend, aber doch spürbar für einen Irrweg halten. Nun wurden sie, die selbst noch im Auto rauchten und die Gurtpflicht für etwas Absurdes hielten, von ihren toleranten Kindern in den Hausarrest abkommandiert.

Die Ausreden nach entdeckten Ausbrüchen („War nur kurz beim Friseur“, „War ganz in der Früh einkaufen, da war niemand“) wurden von den Kindern mit strenger Miene kritisiert. Denn nun dürfen wir uns Sorgen machen, liebe Eltern. Und danke, dass ihr uns so oft abgeholt habt, spät in der Nacht und nicht immer in allerbester Laune. Wie habt ihr das bloß ausgehalten?

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2020)

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