Baufonds-Prozess

„Die müssten wo ang'rannt sein“

Hinter Plexiglas und mit Mund-Nasen-Schutz tagte der Schöffensenat im Wiener Baufonds-Prozess.
Hinter Plexiglas und mit Mund-Nasen-Schutz tagte der Schöffensenat im Wiener Baufonds-Prozess.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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In Wien hat ein Untreueprozess um einen Stadtbaufonds aus der Kaiserzeit begonnen. Vier Personen, darunter zwei Sektionschefs des Innenressorts, stehen nun vor Gericht.

Wien. Ein kaiserliches Handschreiben von 1857 beschäftigte am Donnerstag ein Wiener Strafgericht. Gemäß dem altertümlichen Papier bestimmte Kaiser Franz Josef I. anno dazumal, dass in Wien alte Stadtmauern abzureißen und die frei werdenden Flächen zu verkaufen seien.

Mit dem Erlös solle ein Baufonds gegründet werden. So kam es auch. Damals ahnte freilich niemand, dass dieser Stadterweiterungsfonds 163 Jahre später zwei aktive Sektionschefs des Innenressorts, einen Sektionschef in Ruhe und einen weiteren früheren Topbeamten „ins Kriminal“ bringen könnte.

Der Vorwurf lautet nun auf Untreue. Schadenssumme laut Oberstaatsanwalt Stephan Schmidmayer von der Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA): 1,1 Millionen Euro. Die vier Angeklagten bekennen sich in dem für sechs Tage anberaumten Prozess (Vorsitz: Richterin Claudia Moravec-Loidolt) nicht schuldig. Was also ist geschehen? Nun, mit den Geldern des Fonds wurden Prachtbauten entlang der Wiener Ringstraße finanziert, etwa die Staatsoper, das Burgtheater, das Parlament oder das Kunst- und das Naturhistorische Museum. In der NS-Zeit wurden die übrig gebliebenen Mittel der Gemeinde Wien zugeteilt, nach dem Krieg wanderten sie zurück in den Fonds.

„Fonds dümpelte dahin“

Und dann? Welches Schicksal wurde dem einst kaiserlichen Baufonds dann zuteil? Dazu legte am Donnerstag Strafrechtsprofessor Peter Lewisch – sozusagen als Chefverteidiger des Quartetts – in einem kurzweiligen, geradezu bühnenreifen Powerpoint-Eröffnungsvortrag seine Sicht der Dinge dar.

Nach dem Zweiten Weltkrieg „dümpelte der Fonds nur noch dahin“. Weiter: „Die Auflösung wäre ein Aufwand gewesen, den hat man gescheut.“ Zwischen 2000 und 2004 seien dann die nunmehrigen Angeklagten – darunter auch Mathias Vogl, der viel beschäftigte Leiter der Rechtssektion des Innenressorts – zu Organen des Fonds bestellt worden. Diese Bestellungen seien „ehrenamtliche Nebeng'schaftln“ gewesen.

Tatsächlich gab es nur noch einen großen Grundstücksverkauf, den der Fonds tätigte: Das Heumarkt-Areal wurde versilbert. Dieses ging um 4,2 Millionen Euro an den Bauträger „Buntes Wohnen“. Ein Schnäppchen, meinen Kritiker. Später stellte der Immobilieninvestor Michael Tojner seine Pläne zur Errichtung eines Hochhauses auf dem Areal vor. Damit geriet Wiens Weltkulturerbe-Silhouette in erhöhte Gefahr.

Aber zurück zu den Angeklagten. Laut Lewisch hätten diese nur getan, was die frühere ÖVP-Innenministerin Liese Prokop wollte. Nämlich mit dem restlichen Fondsvermögen „breit gestreut Gutes tun“. Danach hätte der Fonds aufgelöst werden sollen. Dazu kam es erst 2017.

Davor sei Fondsgeld mildtätig und gemeinnützig verteilt worden. Extra dafür sei eine Fondssatzung verfasst worden. Nach dem Motto: „Neu geboren, um gleich zu sterben.“ Auch Prokops Nachfolger, etwa Günther Platter oder Maria Fekter, hätten mit dem Geld Gutes getan. Zum Beispiel zugunsten des St. Anna Kinderspitals, der katholischen Kirche oder der jüdischen Gemeinde.

Aber auch ein Wohlfahrtsfonds der Bundespolizei sei bedacht worden, merkte nun der Anklagevertreter an. Ebenso sei der Ankauf eines burgenländischen Grundstücks für ein Asylzentrum finanziert worden. Die Angeklagten hätten laut WKStA Gelder „an Nahestehende“ vergeben. Die Mittelvergabe sei alles andere als transparent gewesen. Und: Bei Auswahl der Spendenempfänger sei es schon gar nicht um Bauvorhaben im seinerzeitigen kaiserlichen Sinne gegangen, sondern um „sachfremde Interessen“.

Dazu Johann Pauer, der Co-Verteidiger des angeklagten früheren Fonds-Geschäftsführers J.: „Wenn die Angeklagten das Prinz-Eugen-Denkmal vergoldet hätten, wäre das nach Ansicht der WKStA nicht strafbar gewesen.“ Und Pauer betonte: „Keiner hat sich bereichert.“ Anmerkung: Bereicherung ist allerdings kein Untreuekriterium, für dieses Delikt kommt es etwa darauf an, ob Befugnisse missbraucht wurden.

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