Die Erotik unserer Zeit

Expedition Europa: vornehm und rebellisch – wieder ein Sommertag in Athen.

Fünf Jahre, nachdem 61 Prozent der Griechen in einem dramatischen Referendum OXI/ochi/Nein zur Austeritätspolitik der EU-Kommission, der EZB und des IWF gesagt haben, wieder ein Sommertag in Athen. Die EU-Kommission will plötzlich geliehenes Geld verschenken, Griechenland bekäme aus dem Corona-Wiederaufbauplan 32 Milliarden. Athen ist vornehm und rebellisch geblieben. Das zentrale Viertel Exarchia, bewohnt von Migranten und Anarchisten, ist nachts verdreckt, nur der Straßenverkauf von Transen-Pornos ist gewichen. In der Tramway ans Meer spritzt mich eine Dame beim Desinfizieren ihrer Hände an, entschuldigt sich wortreich. Mich stört's nicht; ein Tropfen Desinfektion von einer schönen Frau, das ist die Erotik unserer Zeit.

2015 fügte sich Premierminister Alexis Tsipras den Kreditgebern trotz OXI dann doch. Mein Bekannter Dimitri Papadimitriou, von 2016 bis 2018 unter Tsipras Wirtschaftsminister, schreibt über Corona: „In der Tat sind die Dinge jetzt anders.“ Über 2015: „In der Tat bin ich ein wenig bitter wegen der Unnachgiebigkeit des europäischen Nordens und des IWF.“ Ich gehe wieder vor das „Solidarity Center“ am Larissa-Bahnhof. Es ist gerade Essensausgabe an die Armen, zwei blaue Plastiksackerl pro Person.

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